Ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH ist grundsätzlich als Beschäftigter im Sinne der Sozialversicherung zu qualifizieren, soweit er weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine umfassende Sperrminorität verfügt.
Das Bundessozialgericht hat offengelassen, ob beschränkt auf gänzlich atypische Sonderfälle im Rahmen der Gesamtabwägung trotz fehlender Rechtsmacht ausnahmsweise eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeschlossen sein kann, wenn die tatsächlichen Verhältnisse die rechtlichen überlagern. In folgenden Fällen ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Beschäftigungsverhältnis nicht (mehr) ausgeschlossen.
Rechtsanwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind
Diese Personengruppe kann sozialversicherungsrechtlich in einer abhängigen Beschäftigung stehen. Die abhängige Beschäftigung ist nicht von vornherein aufgrund der Tätigkeit als unabhängiges Organ der Rechtspflege ausgeschlossen. Sachverhalte in dieser Konstellation sollten im Rahmen einer Statusfeststellung bewertet werden, da es sich in der Regel um Einzelfälle handelt.
Personenidentität von gleichmäßig beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern
Die vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätze zur Beschäftigteneigenschaft von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH sind auch anzuwenden, wenn die Geschäftsführer und Gesellschafter
- in der Person identisch und
- jeweils ohne maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft gleichmäßig bzw. nahezu gleichmäßig (z. B. mit 25 % oder mit 32 %, 33 % und 35 %) an der GmbH beteiligt
sind. Der im Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis (angeblich) fehlende typische Interessengegensatz wird nicht mehr als geeignetes Abgrenzungskriterium angesehen. Die Personenidentität ändert an der Rechtsmacht der Gesellschafter und der Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer nichts.
Familien-GmbH
Familiäre Rücksichtnahmen bei Gesellschafter-Geschäftsführern ohne maßgeblichen Einfluss (Rechtsmacht) auf die Geschicke in einer Familien-GmbH schließen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht mehr aus. Es handelt sich in solchen Fällen lediglich um eine "Schönwetter-Selbstständigkeit". In einem stets möglichen Konfliktfall kommt es allein auf die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht an.
Bei Gesellschafter-Geschäftsführern ohne maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke in einer Familien-GmbH liegt grundsätzlich ein abhängiges und damit versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Dem entgegenstehende frühere BSG-Rechtsprechung ist überholt und nicht mehr anwendbar. Das gilt auch für Gesellschaften, in denen familiäre Bindungen zu Mehrheitsgesellschaftern bestehen.
Fiktionen
Die sich aus den bindenden Regelungen des Gesellschaftsvertrags bzw. ergänzend aus denen des Dienstvertrags ergebende Rechtsmacht kann nicht durch "Fiktionen", die aus den tatsächlichen Umständen hergeleitet werden, beseitigt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Dienstvertrag nicht mehr an Kompetenzen vermitteln kann, als es der Gesellschaftsvertrag zulässt. Die Abbedingung von Regelungen im Gesellschaftsvertrag ist an die notarielle Form gebunden. Eine formfreie und erst recht faktische Gestaltung des Gesellschaftsvertrags kann es daher nicht geben.
Es kommt daher bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nicht auf "faktische Machtpositionen" an, wonach die zu beurteilende Person
- "Kopf und Seele" der GmbH ist und faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt oder
- alleiniger Branchenkenner ist oder
- in der GmbH faktisch frei schalten kann wie sie will, weil sie die Gesellschafter persönlich und/oder wirtschaftlich dominiert.
Stimmbindungsvertrag
Eine außerhalb des formgebundenen Gesellschaftsvertrags zwischen Gesellschaftern getroffene Stimmrechtsvereinbarung ist nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse ohne Weiteres mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung so zu verschieben, dass eine selbstständige Tätigkeit angenommen werden kann. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Eine Stimmrechtsvereinbarung kann z. B. dahingehend getroffen sein, dass nur noch einstimmig abgestimmt wird. Bei Eintreten eines Konfliktfalls zwischen den Gesellschaftern kommt es daher auf die den Beteiligten aufgrund des Kündigungsrechts zustehende Rechtsmacht an. Darüber hinaus ist auch zu beachten, dass Stimmbindungsverträge unter Gesellschaftern die Vorgaben von § 723 BGB erfüllen müssen. Werden solche Verträge auf unbestimmte Zeit geschlossen, sind sie nach § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB sogar – unbeschadet einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund – jederzeit ordentlich kündbar. Das ist nach § 723 Abs. 3 BGB der Vorschrift auch nicht vertraglich auszuschließen.
Vetorecht
Ein außerhalb des Gesellschaftsvertrags, z. B. i...