Arbeitsrecht: Art. 9 Abs. 3 GG begründet das verfassungsmäßig geschützte Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen (Koalitionen) zu bilden. Das Grundgesetz garantiert danach die Koalitionsfreiheit. Bezugspunkt der Koalitionsfreiheit ist die abhängige Arbeit. Diese bestimmt Schutzrichtung und Schutzzweck des Art. 9 Abs. 3 GG.
Angesichts der ökonomischen und sozialen Unterlegenheit der abhängig Beschäftigten (strukturelle Unterlegenheit) erweist sich die individuelle Privatautonomie als untauglich, angemessene Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Die Vertragsfreiheit des unterlegenen Partners reduziert sich auf die Freiheit, die vom anderen gesetzten Bedingungen zu akzeptieren oder auf Beschäftigung zu verzichten. Die Antwort der Verfassung liegt in der Zuerkennung der Freiheit, sich zusammenzuschließen, um im Wege der Selbsthilfe durch gemeinsames Handeln soziale Gegenmacht zu entwickeln und auf dieser Grundlage menschenwürdige Bedingungen der abhängigen Arbeit durchzusetzen.
Der Begriff Koalitionen und der Begriff Gewerkschaften sind nicht identisch. Das Grundgesetz erfasst neben Arbeitnehmerverbänden auch Arbeitgeberverbände. Außerdem können dem Koalitionsbegriff auch solche Arbeitnehmervereinigungen unterfallen, die nicht tariffähig sind, etwa weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllen oder ihre Ziele als Arbeitnehmerkoalitionen nicht durch den Abschluss von Tarifverträgen verfolgen wollen.
Arbeitnehmervereinigungen (Koalitionen) werden erst dann als Gewerkschaften angesehen, wenn sie tariffähig sind, da nach § 2 Abs. 1 TVG Gewerkschaften als Tarifvertragsparteien bezeichnet, aber nicht gesetzlich definiert werden. Die Regelung in A III 2 des ersten Staatsvertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 und dem Gemeinsamen Protokoll über Leitsätze, die nahezu wortgleich den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen entspricht, stellt nach ständiger Rechtsprechung des BAG ebenfalls keine gesetzliche Normierung der an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung zu stellenden Voraussetzungen dar. Sie habe zwar durch das Zustimmungsgesetz des Bundestags vom 25.6.1990 Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers gefunden. Materielles Gesetz sei sie dadurch aber nicht geworden. Es bleibt daher Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, im Rahmen der an sie herangetragenen Streitigkeit den unbestimmten Rechtsbegriff durch Auslegung im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG auszufüllen und dabei die im Zustimmungsgesetz vom 25.6.1990 zum Ausdruck gekommene Willensbekundung der Gesetzgebungsorgane der Bundesrepublik Deutschland zu beachten.