Rz. 135
Bei einem Kontokorrent- oder Girokonto wird in der Regel mit dem Kreditinstitut die Einräumung eines Überziehungskredits bis zu einem bestimmten Limit (Kreditlinie) vereinbart. Ein solcher Kredit kann aber auch dergestalt eingeräumt werden, dass die Bank die Kontoüberziehung stillschweigend bis zu einem bestimmten Betrag duldet. Die Pfändung in eine solche sog. offene Kreditlinie (Dispositionskredit) ist nach der Rechtsprechung des BGH zulässig (BGH, Vollstreckung effektiv 2002, 90 = WM 2001, 898 = ZIP 2001, 825 = DB 2001, 1085 = Rpfleger 2001, 357 = MDR 2001, 1014 = KKZ 2001, 205 = FamRZ 2001, 1214). Die ausgebrachte Pfändung erfasst daher auch den Anspruch auf Auszahlung des von der Drittschuldnerin eingeräumten Kredits oder Darlehens in der noch nicht zur Auszahlung gelangten Höhe. Dazu gehören auch Ansprüche aus einem dem Schuldner eingeräumten Dispositionskredit. Diese sind pfändbar, soweit der Schuldner den Kredit durch Abruf eines Geldbetrages, das heißt durch eine Abhebung, Überweisung oder Zustimmung zu Lastschriften, in Anspruch nimmt. Mit dem Abruf entsteht daher ein Zahlungsanspruch des Schuldners gegen die Bank, der dem Gläubigerzugriff im Wege der Pfändung offensteht (BGH, Vollstreckung effektiv 2002, 90 = WM 2001, 898 = ZIP 2001, 825 = DB 2001, 1085 = Rpfleger 2001, 357 = MDR 2001, 1014 = KKZ 2001, 205 = FamRZ 2001, 1214).
Rz. 136
(unbesetzt)
Rz. 137
Ausgehend davon, dass von der Pfändbarkeit des Dispositionskredites auszugehen ist (LG Hannover, InVo 2002, 197 = NdsRpfl 2002, 120), stellt sich die weitere Frage, ob dies für den jeweiligen Gläubiger günstig ist. Die Antwort ist eindeutig nein: Mit der Überweisung der zukünftigen Forderung ist dem Gläubiger allein nicht gedient. Das Recht, den Kredit in irgendeiner Form (Barauszahlung, Überweisung oder Scheckbegebung) abzurufen, unterliegt nach noch stets herrschender Meinung nicht der Verwertung. Da es keine Pflicht – etwa aufgrund der Pfändung – des Schuldners gibt, den Kredit auch abzurufen und er dies nach der Pfändung auch nicht mehr tun wird, führt die Pfändung nicht zu einziehbaren Beträgen (Goebel, Vollstreckung effektiv 2001, 72). Auch der BGH hat die Frage, ob das Abrufrecht des Pfändungsschuldners selbständig pfändbar ist und durch den Vollstreckungsgläubiger ausgeübt werden kann, ausdrücklich offen gelassen. Die Rechtsprechung hat – soweit ersichtlich – stets die Auffassung vertreten, dass das Abrufrecht weder gepfändet (LG Münster, Rpfleger 2002, 632) noch aufgrund der Pfändung vom Vollstreckungsgläubiger ausgeübt werden kann (LG Hamburg, NJW 1986, 998 = Rpfleger 1986, 265). In der Literatur wird allein durch Grunsky (JZ 1985, 491; ZZP 95, 264) die gegenteilige Auffassung vertreten. Im Regelfall wird die Pfändung nicht zur Befriedigung führen, den Vollstreckungsschuldner u. U. aber in die Insolvenz treiben. Sicher ist die Pfändung des Dispositionskredites wegen der eintretenden Kontoblockade ein "Druckmittel" für den Vollstreckungsgläubiger; mehr nicht.
Rz. 138
Die bloße Duldung der Überziehung des Kontos des Schuldners in der Vergangenheit gibt dem Schuldner ggü. der Bank aber noch keinen Darlehensanspruch, sodass auch kein derartiger Anspruch gepfändet werden kann (vgl. BGH, NJW 1985, 1218). Ein Darlehensvertrag kommt in derartigen Fällen vielmehr erst dadurch zustande, dass die Bank trotz fehlender Deckung eine tatsächliche Auszahlung an den Schuldner leistet (vgl. BGH, NJW 1985, 1218 = WM 1985, 344 = ZIP 1985, 339 = BB 1985, 611 = DB 1985, 1018 = EWiR 1985, 119 = JZ 1985, 487 = MDR 1985, 576 = JuS 1985, 997; OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1994, 878).
Rz. 139
Von den Fällen des Nichtausschöpfens einer Kreditlinie ist der Fall zu unterscheiden, dass der Schuldner einen konkreten Kredit beantragt, zugesagt erhalten und möglicherweise bereits auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen hat. Ob in diesen Anspruch vollstreckt werden kann, hängt davon ab, ob der Kredit zweckgebunden verwendet werden muss oder zur freien Verfügung des Schuldners steht. Nur im letzteren Fall ist er als Geldforderung pfändbar (LG Münster, InVo 2001, 31). Im Übrigen ist er – als zweckgebundener Kredit – unpfändbar; das gilt nur dann nicht, wenn er von denjenigen Gläubigern gepfändet werden soll, deren Forderungen nach der Zweckvereinbarung durch den Kredit gerade abgedeckt werden sollten, soweit die Pfändung ausschließlich der Befriedigung dieser Forderungen dient.
Rz. 140
Der Anspruch eines Bankkunden gegen eine Bank aus der Bankverbindung auf Rechnungslegung und Erteilung von Kontoauszügen für ein Girokonto ist pfändbar (LG Itzehoe, NJW-RR 1988, 1394). Mit der Pfändung des Hauptanspruchs wird auch der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gepfändet (LG Cottbus, JurBüro 2002, 659), jedoch kann die Erteilung von Kontoauszügen nicht angeordnet werden (LG Frankfurt/Main, Rpfleger 1986, 186). Die Pfändbarkeit dieses "Auskunftsanspruchs" ist eingeschränkt, soweit durch die Offenlegung gegenüber dem Gläubiger höchstpersönliche Geheimnisse oder auch Betriebs...