Rz. 6

Die zwangsvollstreckungsrechtlichen Begrifflichkeiten des Einkommens und der Einkünfte sind autonom und nicht nach dem Einkommenssteuerrecht auszulegen (LG Stuttgart, Beschluss v. 24.7.2012, 19 T 78/12 – Juris; Musielak/Voit/Becker, § 850i Rn. 1 m. Hinw. a. BT-Drucks. 16/7615 S. 18). Der Begriff ist weit auszulegen (LArbG Berlin-Brandenburg, NZI 2014, 463). Arbeitseinkommen i. S. v. § 850 ff. ZPO sind gem. Abs. 2 ZPO Entgelte für Leistungen, die von persönlich oder wirtschaftlich Abhängigen erbracht werden, wozu insb. – aber nicht nur – Arbeitnehmer zählen. Zum Entgelt zählen wiederkehrende und einmalige Bezüge, die aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses geschuldet sind. Sonstige Vergütungen zählen als Arbeitseinkommen im Sinne des Zwangsvollstreckungsrechts, wenn die Dienste, mit denen sie erzielt werden, die Erwerbstätigkeit eines Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen (BGH, Urteil v. 8.12.1977, II ZR 219/75, Rn. 71; Urteil v. 5.12.1985, IX ZR 9/85, Rn. 13 m. w. N.; BGH, Vollstreckung effektiv 2017, 46 = Rpfleger 2017, 292 = DGVZ 2017, 89).

Gleichgültig ist, ob es sich um Haupt- oder Nebentätigkeiten handelt, ob die Tätigkeit in geistiger oder körperlicher Arbeit besteht und ob dem Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis deutsches oder ausländisches Recht zugrunde liegt, ebenso, ob es sich um Einkünfte aus Schwarzarbeit, Vergütung für eine Diensterfindung (Ideenprämie; vgl. BAG, NJW 2009, 167 = ZVI 2008, 525 = NZA 2009, 747 =  BB 2008, 2457 = EzA-SD 2008, Nr. 22, 9 = SAE 2009, 206; BGH, Rpfleger 2004, 361 = WM 2004, 596 = BGHReport 2004, 630 = NJW-RR 2004, 644 = ZVI 2004, 243 = FamRZ 2004, 790 = MDR 2004, 713 = InVo 2004, 377 = KKZ 2005, 102) oder faktischen Verträgen handelt (Musielak/Voit/Becker, § 850 Rn. 2 m. w. N.; BAG, NJW 1977, 1608; LAG Düsseldorf, DB 1969, 931), ebenso Schadensersatzforderungen, die ein Schuldner hat, weil sein Arbeitgeber gegen Pflichten aus dem Nachweisgesetz verstoßen hat und deshalb Vergütungsansprüche des Schuldners aufgrund einer tariflichen Ausschlussfrist verfallen sind (BAG, ZInsO 2009, 1359 = NJW 2009, 2324 = MDR 2009, 989).

Vom Begriff des Arbeitseinkommens ist nicht nur die laufende Arbeitsvergütung erfasst. Gemäß Abs. 4 erfasst die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens alle Vergütungen, die dem Schuldner aus der Arbeitsleistung zustehen, ohne Rücksicht auf ihre Benennung oder Berechnungsart (BAG ZInsO 2009, 1359 = NJW 2009, 2324 = MDR 2009, 989). Die Vergütungen können für bereits geleistete Arbeit schon verdient, jedoch noch nicht bezahlt oder noch nicht fällig oder als Vergütung zu erwarten sein, die der Schuldner durch künftige Arbeitsleistung noch verdienen muss (§ 832 ZPO). Zur Auslegung, ob Dienst- oder Arbeitseinkommen vorliegt, können auch die Regelungen der § 19 EStG, § 14 SGB IV herangezogen werden. Abzustellen ist nicht darauf, ob das Entgelt aufgrund eines freien oder abhängigen Dienstverhältnisses gewährt wird. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Entgelt- oder der Alimentierungszweck überwiegt (BAG, Rpfleger 1960, 247 = DB 1959, 1007 = WA 1959, 167 = RdA 1960, 79; LG Bielefeld, FamRZ 1958, 383). Wesentlich ist vielmehr, dass es sich um wiederkehrende und einmalige Bezüge (Musielak/Voit/Becker § 850 Rn. 4 m. w. N.; LG Stuttgart, Beschluss v. 24.7.2012, 19 T 78/12 – Juris; vgl. auch Rz. 9 ff.) zahlbare Vergütungen für selbstständige oder unselbstständige Dienste handelt, die die Existenzgrundlage des Dienstpflichtigen bilden (BGH, NJW-RR 2004, 644 = WM 2004, 444 = BGHReport 2004, 555 = Rpfleger 2004, 232 = MDR 2004, 587 = InVo 2004, 281; BGHZ 96, 324; BGH, BB 1978, 275 = JZ 1978, 200 = DB 1978, 481 = DB 1978, 482 = Rpfleger 1978, 54 = NJW 1978, 756 = MDR 1978, 387; BAG, NJW 1962, 1221; OLG München, ZVI 2019, 111). "Wiederkehrend zahlbar" setzt dabei nicht voraus, dass die Raten gleich oder annähernd gleich hoch sind. Dass die regelmäßigen Beträge auf unterschiedlichen Nutzungen beruhen (Rundfunk, öffentliche Aufführung, Vervielfältigung auf Tonträger), ändert nichts daran, dass sie laufend und regelmäßig erfolgen (OLG München, ZVI 2019, 111 zur Behandlung von Ausschüttungszahlungen als wiederkehrendes Arbeitseinkommen). Der Anspruch auf eine nicht in Geld zahlbare Vergütung, z. B. Sach- oder Naturalleistung, ist gem. §§ 846, 847 ZPO zu pfänden. Ein Pfändungsschutz folgt dann aus § 811 Abs. 1 ZPO.

3.1 Dienst- und Versorgungsbezüge von Beamten

 

Rz. 7

Als Beamte i. S. d. Abs. 2 sind nicht nur die in ein förmliches Beamtenverhältnis nach § 2 BBG, § 2 BRRG Berufenen – unabhängig davon, ob diese auf Zeit, Lebenszeit, auf Probe oder Widerruf berufen wurden und ob sie Beamte des Bundes, der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände sowie sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind –, sondern auch die Richter (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BBesG, § 1 BeamtVG), Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BBesG, § 30 SoldatenG), die Minister, die Abgeordneten des Europaparlaments, des Bundestages und der Landtage (vgl. auch BGH, NJW-RR 20...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?