Rz. 12

Eine unpfändbare Aufwandsentschädigung liegt nur vor, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung oder der gesetzlichen Regelung der Zweck der Zahlung ist, tatsächlichen Aufwand des Schuldners auszugleichen. Dies muss der Schuldner darlegen. Keine Aufwandsentschädigung liegt hingegen vor, wenn die Tätigkeit des Schuldners selbst vergütet werden soll wie z.B. bei Erstattungen für das Überlassen eines Fahrzeugs: diese Erstattungen stellen Arbeitseinkommen dar und sind daher pfändbar (LAG Hannover, LAGE § 850e ZPO 2002 Nr. 1). Entschädigungen für Zeitversäumnisse sind hingegen stets pfändbar (BGH, Vollstreckung effektiv 2017, 131 = MDR 2017, 665 = Rpfleger 2017, 470).

 

Rz. 12a

Auch Aufwandsentschädigungen für eine ehrenamtliche Tätigkeit, mit denen aber tatsächlich der Lebensunterhalt im Wesentlichen bestritten wird (Vollzeittätigkeit), fallen grundsätzlich nicht unter die Norm (VG Ansbach, Rpfleger 2006, 419). Eine Unpfändbarkeit besteht nur, wenn die Einnahmen den Mehraufwand ausgleichen. Denn die Mehraufwandsentschädigung soll die geldlichen und sonstigen Aufwendungen abdecken, die dem ehrenamtlich Tätigen für eigene Zwecke, aber im Interesse der Wahrnehmung der ehrenamtlichen Funktion, abverlangt werden. Hierzu gehören z. B. erhöhter persönlicher Bedarf an Kleidung und Verzehr (Repräsentationsaufwand), Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Schreibmittel sowie Ausgleich eines Haftungsrisikos. Somit ist auch beim ehrenamtlich Tätigen zu unterscheiden, ob ein tatsächlich entstandener Aufwand abgegolten oder Verdienstausfall ausgeglichen werden soll. Der Verdienstausfall ersetzt das Arbeitseinkommen und ist deswegen grundsätzlich pfändbar. Ist die Aufwandsentschädigung so hoch, dass der Entgeltcharakter im Vordergrund steht, ist sie ebenfalls pfändbar, da der Rahmen des Üblichen überschritten ist. Folglich sind die Ansprüche auf Ersatz der Fahrt-, Verpflegungs-, Übernachtungskosten, der Auslagen für die Reisevorbereitung sowie der Telefon- und Bürokosten (vgl. etwa §§ 5 bis 7 JVEG) unpfändbar i. S. v. § 850a Nr. 3 Fall 1 ZPO.

Hierzu zählen z. B. Entgelte für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Schmutz-, Erschwernis- (vgl. Rz 13 f.) und Gefahrenzulagen, Reise- und Umzugskosten, Tage- und Übernachtungsgelder (soweit sie im Rahmen der Lohnsteuer-Richtlinien als steuerfreie Pauschbeträge anerkannt werden; BAG, DB 1971, 1923), Spesenzahlungen als Aufwendungsersatzleistungen des Arbeitgebers (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 30.8.2011, 5 Sa 11/11 – Juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, VD 2012, 34) sowie Trennungsentschädigungen und Verpflegungskostenzuschüsse, Sitzungsgelder (OLG Düsseldorf, Rpfleger 1978, 461), Aufwandsentschädigungen von Kreistagsabgeordneten (LG Dessau-Roßlau, NVwZ-RR 2013, 565 = VuR 2013, 67), Vergütung für ehrenamtliche Tätig nach § 10 Abs. 7 VZG (Volkszählungsgesetz; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 977), Kilometergeld, wenn ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer für die betriebliche Verwendung seines privaten Personenkraftwagens gewährt, die den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen (LAG Düsseldorf, DB 1970, 256), nicht hingegen bei der Pfändung der Ansprüche eines Vorstandsmitglieds eines Anwaltsvereins auf Sitzungsgeld, Aufwandsentschädigung und -erstattung (AG Leipzig, NJW 2004, 375).

 

Rz. 12b

Unter den Anwendungsbereich der Regelung fällt auch die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten und die Wechselschichtzulage nach der Erschwerniszulagenverordnung (LG Kaiserslautern, ZVI 2016, 450; VG Stuttgart, VuR 2013, 34; VG Kassel, JurBüro 2013, 599; VG Düsseldorf, ZInsO 2012, 1900; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2010, 75). Die Frage, ob die Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten (§ 3 der Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 3.12.1998, BGBl. I 3497, mit späteren Änderungen – EZulV -) und Wechselschichtdienst (§ 20 EZulV) unter die unpfändbaren Bezüge nach Nr. 3 ZPO fallen und deshalb gem. § 11 Abs. 1 BBesG vom Beamten nicht abgetreten werden können, ist allerdings streitig (vgl. den Überblick bei OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2010, 75, sowie einerseits Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, A II/1 § 11 BBesG Rn. 84).

 

Rz. 13

Der Begriff der Erschwerniszulage ist nicht eindeutig und bedarf der Auslegung. Der Wortlaut spricht eher für ein weites, nicht auf die der Ausübung der Arbeit innewohnenden Belastungen begrenztes Verständnis (BAG, NJW 2017, 3675 = InsbürO 2017, 511 = NZA 2017, 1548 = Rpfleger 2018, 36 = Vollstreckung effektiv 2018, 110). "Erschwernis" im allgemeinen Sprachgebrauch wird synonym für "Anstrengung", "Belastung" oder "Mühsal" verwendet. Hiervon ausgehend gehören Zulagen, die als Ausgleich für die durch Druck, Wasser, Lärm, Staub oder Hitze körperlich belastende Arbeit (z. B. Corona-Prämie in der Gastronomie, LAG Niedersachsen, Urteil v. 25.11.2021, 6 Sa 216/21, juris; AG Gera, ZInsO 2021, 2281: zweckgebundene Leistung für die Anerkennung des Arbeitseinsatzes; AG Cottbus, ZInsO 2021, 796; a. A. AG Konstanz, JurBüro 2021, 269; LG Dresde...

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