Rz. 12
Gem. Abs. 2 erhöht sich der Pfändungsfreibetrag, wenn der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder einem Verwandten oder einem Elternteil Unterhalt gewährt. Hierdurch soll der Schuldner in die Lage versetzt werden, seine Unterhaltspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Dabei ist der zusätzliche Freibetrag für die erste Person (471,44 EUR; vgl. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) höher als die Freibeträge für die anderen unterhaltsberechtigten Personen (2.-4. Person jeweils 262,65 EUR; vgl. Abs. 2 Satz 2 Nr. 1). Der Grund liegt darin, dass es sich bei der ersten Unterhaltsperson i. d. R. um den Ehegatten/Lebenspartner des Schuldners handelt und insoweit im Allgemeinen ein gemeinsamer Hausstand besteht (BT-Drucks. 8/693 S. 40 u. 10/229 S. 41). Leistet der Schuldner allerdings dem Ehegatten/Lebenspartner tatsächlich keinen Unterhalt, kann als "erste" unterhaltsberechtigte Person auch ein Kind oder eine sonstige Person in Betracht kommen. Dieser ist dann der erhöhte Freibetrag der ersten Stufe zuzurechnen (BGH, JurBüro 2004, 614 = Rpfleger 2004, 574 = FamRZ 2004, 1281).
Nur gesetzliche, nicht auch vertragliche Unterhaltspflichten oder freiwillige Unterhaltsleistungen sind zu berücksichtigen. Ebenso wenig fallen Unterhaltsrenten, welche der Schuldner als Schadensersatz bezahlen muss, unter diese Regelung. Auch freiwillige Zahlungen an Stiefkinder oder Pflegekinder oder den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft führen zu keiner Erhöhung des Pfändungsfreibetrags, auch wenn diese Personen im Haushalt des Schuldners wohnen. Eine analoge Anwendung des Abs. 2 kommt auch nicht in Betracht, wenn der Schuldner freiwillig im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II) einem Lebensgefährten Unterhalt gewährt (BGH, DGVZ 2018, 43 = NJW 2018, 954 = Rpfleger 2018, 214 = FoVo 2017, 210 = JurBüro 2018, 107 = Vollstreckung effektiv 2018, 131).
Rz. 12a
Der Schuldner muss Unterhalt "gewähren" d. h. tatsächlich leisten. Leistet der Schuldner keinen Unterhalt, so kann der Gläubiger einen klarstellenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts verlangen, dass der Unterhaltsberechtigte bei der Berechnung des pfändbaren Betrags nach § 850c Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen ist (BGH, NJW 2017, 3591 = FamRZ 2017, 2037 = MDR 2017, 1446 = DGVZ 2018, 42= Rpfleger 2018, 159 = Vollstreckung effektiv 2018, 4; LG Braunschweig, JurBüro 2013, 273; LG Amberg, JurBüro 2011, 605; LG Stuttgart, JurBüro 2003, 156; LG Essen, ZVI 2002, 273). Dass der Schuldner Unterhalt an Unterhaltsberechtigte nicht zahlt, muss der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht durch geeignete Belege glaubhaft machen. Im Wesentlichen sind hierbei drei Situationen beachten:
Rz. 12b
a) Ist die Nichtzahlung dem Gläubiger bereits bei Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bekannt, ist im amtlichen Formular wegen "gewöhnlicher Geldforderungen" Folgendes einzutragen:
Rz. 12c
b) Liegt bereits ein eidesstattlich versichertes Vermögensverzeichnis des Schuldners vor, aus dem sich ergibt, dass dieser keine Zahlungen erbringt, reicht insoweit die Vorlage des Verzeichnisses aus. Dann muss hinter den Text der Anordnung zur Begründung eingefügt werden:
Rz. 13
c) Wird die Nichtzahlung gegenüber den Angehörigen dem Gläubiger erst nach Erlass des erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bekannt, kann er nachträglich einen klarstellenden Beschluss beim Vollstreckungsgericht beantragen.
Rz. 14
Nach der Rechtsprechung des BGH (Vollstreckung effektiv 2011, 2 = WM 2010, 2231 = FamRZ 2010, 2071 = MDR 2010, 1489 = Rpfleger 2011, 163 = JurBüro 2011, 104 = DGVZ 2011, 69 = FF 2011, 88 = FamFR 2010, 536 = FamRB 2011, 142) ist es für die Gewährung der gemäß Abs. 2 vorgesehenen Freibeträge ohne Belang, ob die Unterhaltsleistungen, die der Schuldner auf Grund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht erbringt, den jeweiligen Pauschalbetrag erreichen oder übersteigen. Eine Reduzierung der in Abs. 2 genannten Pauschalbeträge auf den tatsächlich geleisteten Unterhaltsbetrag kommt danach grundsätzlich auch dann nicht in Betracht, wenn der Schuldner seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht in vollem Umfang genügt (BGH, NJW-RR 2007, 938 = FamRZ 2007, 1008 = Rpfleger 2007, 403 = InVo 2007, 289 = BGHReport 2007, 728 = MDR 2007, 973 = JurBüro 2007, 443 = WM 2007, 1420 = VuR 2007, 393 = KKZ 2007, 278 = FamRB 2007, 236 = FuR 2007, 320 = FoVo 2008, 202; OLG Thüringen, Beschluss v. 25.7.2014, 1 WF 277/14 – Juris; AG Brake, Beschluss v. 7.1.2013, 6 M 1418/12 – Juris). Im Interesse einer praktikablen Gestaltung der Zwangsvollstreckung hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, die Zubilligung der unterhaltsbedingten Freibeträge von einzelfallbezogenen Feststellungen zur Höhe der Unterhaltsverpflichtung abhängig zu machen (BGH, NJW-RR 2007, 938 = FamRZ 2007, 1008 = Rpfleger 2007, 403 = InVo 2007, 289 = BGHReport 2007, 728 = MDR 2007, 973 = JurBüro 2007, 443 = WM 2007, 1420 = V...