BSG-Fundstelle

10.12.2019, B 12 KR 9/18 R

(BSGE 129, 254-265; SozR 4-2400 § 7 Nr. 46; USK 2019-81; Breith. 2020, 936-946)
Sachverhalt
  • Ehefrau Alleingesellschafterin
  • Ehemann Geschäftsführer
  • zunächst "Arbeitsvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer" (weisungsunabhängig als Geschäftsführer, monatliches Festgehalt, 40 Stunden Wochenarbeitszeit)
  • später ersetzt durch "GmbH-Geschäftsführervertrag" (freie Gestaltung der Geschäftsführertätigkeit, keine entgegenstehenden Gesellschafterbeschlüsse, bezahlter Jahresurlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall)
  • notariell (beurkundete) Treuhandverträge, wonach die (spätere) Ehefrau ihren Geschäftsanteil treuhänderisch für den (späteren) Ehemann als Treugeber hält und sich verpflichtet, das Stimmrecht entsprechend den Weisungen des Treugebers auszuüben
  • Treuhandverhältnis endet durch jederzeit ohne Einhaltung einer Frist mögliche Kündigung des Treugebers oder der Treuhänderin
  • bei Beendigung des Treuhandverhältnisses oder auf Verlangen des Treugebers ist die Treuhänderin zur Übertragung des Geschäftsanteils verpflichtet
  • Treuhänderin hat den Treugeber unwiderruflich bevollmächtigt, u.a. das Stimmrecht für sie auszuüben und über den Geschäftsanteil frei zu verfügen
Entscheidung Abhängiges Beschäftigungsverhältnis
Urteilstenor/Begründung
  • Der Ehemann besaß als Fremdgeschäftsführer keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht, um eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm unangenehme Weisungen, jederzeit zu verhindern.
  • Er unterlag dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung und war verpflichtet, deren Weisungen oder – wie hier – Weisungen der Alleingesellschafterin zu jeder Geschäftsführungsangelegenheit zu befolgen.
  • Eine Einflussmöglichkeit auf solche Weisungen war dem Ehemann verwehrt, da er am Stammkapital der GmbH nicht beteiligter Fremdgeschäftsführer war.
  • Die Weisungsgebundenheit des Ehemannes war durch entsprechende Satzungsregelung weder aufgehoben noch eingeschränkt.
  • Ausgehend vom Grundsatz der Nachrangigkeit des Anstellungsvertrags zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis ändert der Geschäftsführervertrag, nach dem der Ehemann seine Geschäftsführertätigkeit weisungsunabhängig und frei gestalten konnte, an der Weisungsgebundenheit grundsätzlich nichts.
  • Im Geschäftsführeranstellungsvertrag geregelte Weisungsverbote wirken lediglich schuldrechtlich, begrenzen aber nicht die gesellschafts- und organrechtliche Pflicht zur Befolgung von Weisungen, es sei denn, die Beschränkung wird zusätzlich in den Gesellschaftsvertrag (Satzung) aufgenommen.
  • Der abhängigen Beschäftigung des Ehemannes als Fremdgeschäftsführer stand die frühere sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung nicht entgegen.
  • Ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft ergab sich auch nicht aus dem notariellen Treuhandvertrag.
  • Ein Treuhandvertrag ist wegen seiner rein schuldrechtlichen Wirkung für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung.
  • Die Alleingesellschafterin war als Treuhänderin Inhaberin aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten. Insbesondere das Stimmrecht als wichtigstes Verwaltungsrecht stand grundsätzlich allein der Treuhänderin als der Inhaberin des GmbH-Geschäftsanteils und nicht dem Treugeber zu.
  • Der Treugeber konnte gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftern Gesellschafterrechte nicht aus eigenem Recht geltend machen.
  • Das Weisungsrecht des Treugebers gegenüber der Treuhänderin hatte lediglich schuldrechtliche Wirkung. Ein weisungswidriges Abstimmungsverhalten in der Gesellschafterversammlung oder durch die Alleingesellschafterin führte grundsätzlich nicht zur Unwirksamkeit gefasster Beschlüsse.
  • Nur in einer in das Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste Eingetragene können Gesellschafterrechte wahrnehmen und haften für fällige Gesellschafterpflichten
  • Das Stimmrecht ist als wesentliches Element der gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaft an den die Gesellschafterstellung prägenden Geschäftsanteil gebunden.
  • Eine entsprechende Rechtsmacht des Ehemannes ergab sich auch nicht daraus, dass die Treuhänderin in Falle der Beendigung des Treuhandverhältnisses oder auf sein Verlangen hin verpflichtet war, den Geschäftsanteil auf diesen oder eine andere von ihm bezeichnete Person mit allen Rechten bedingungslos und ohne Entschädigung zu übertragen.
  • Für die Statusbestimmung ist ausschließlich die im zu beurteilenden Zeitraum tatsächlich verteilte, nicht aber eine nur nach weiteren Rechtshandlungen denkbare Rechtsmacht maßgebend.
  • Bei einer Übertragung des Geschäftsanteils gilt der Treugeber erst ab dem Tag der Aufnahme der geänderten Gesellschafterliste in das Handelsregister als Gesellschafter und damit als in der Gesellschafterversammlung stimmberechtigt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Treuhänderin als Gesellschafterin anzusehen, der im Innenverhältnis der Gesellschaft alle Gesellschaftsrechte, insbesondere auch das Stimmrecht zustehen.
  • Der abgeschlossene "Arbeitsvertrag" sowie der "GmbH-Geschäftsführervertrag" enthalten darüber ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge