[1] Erhebt eine Krankenkasse nach § 242 Abs. 1 SGB V erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht sie ihren Zusatzbeitragssatz, räumt § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V ein Sonderkündigungsrecht ein, ohne dass die 18-monatige Bindungsfrist des § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V oder die Mindestbindungsfrist für Wahltarife nach § 53 Abs. 1, 2, 4 und 5 SGB V zu berücksichtigen sind. Veränderungen des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V begründen hingegen kein Sonderkündigungsrecht.

[2] Soll von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht werden, ist die Mitgliedschaft bis zum Ablauf des Monats zu kündigen, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird. Der Krankenkassenwechsel vollzieht sich dann mit Ablauf des übernächsten Kalendermonats, der auf den Monat folgt, in dem die Kündigung bei der Krankenkasse eingegangen ist, sofern das Mitglied innerhalb dieser Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung nachweist (§ 175 Abs. 4 Satz 2 und 4 SGB V).

[3] Das Sonderkündigungsrecht bei erstmaliger Erhebung des Zusatzbeitrags oder bei Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes gilt auch für die Personen, für die der Zusatzbeitrag nicht in Höhe des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes, sondern, wie bei Beziehern von Arbeitslosengeld II ohne weiteres Pflichtversicherungsverhältnis, ausschließlich in Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V erhoben wird und die somit an der Tragung des Zusatzbeitrags nicht beteiligt und damit durch die erstmalige Erhebung bzw. die Erhöhung nicht finanziell belastet sind.

[4] Das Sonderkündigungsrecht kann nicht nur dann ausgeübt werden, wenn die 18-monatige Bindungsfrist noch nicht abgelaufen ist, denn es besteht lediglich ohne Beachtung der 18- monatigen Bindungsfrist. Damit verfügen Mitglieder auch nach Ablauf dieser Bindungsfrist über das Sonderkündigungsrecht sowie die sich daraus ergebenden Schutzmechanismen.

[5] Mitglieder, die einen Wahltarif nach § 53 SGB V gewählt haben, sind – je nach Art des Wahltarifs - mindestens ein oder drei Jahre an die Teilnahme am Wahltarif und damit auch an die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse gebunden. Im Fall eines Wahltarifs nach § 53 Abs. 3 SGB V bei der Teilnahme an besonderen Versorgungsformen gilt keine Mindestbindungsfrist (§ 53 Abs. 8 Satz 1 SGB V). Mitglieder, deren Beiträge - wie dies bei Beziehern von Arbeitslosengeld II der Fall ist – vollständig von Dritten getragen werden, können nur Tarife nach § 53 Abs. 3 SGB V wählen (§ 53 Abs. 8 Satz 6 SGB V). Beziehern von Arbeitslosengeld II steht damit ein Sonderkündigungsrecht ungeachtet einer Teilnahme an einem Wahltarif nach § 53 Abs. 3 SGB V zu.

[6] Unabhängig von einer wirksamen Ausübung des Sonderkündigungsrechts ist der erstmalig erhobene bzw. der erhöhte Zusatzbeitrag bis zum Ende der Mitgliedschaft zu erheben. Bei Beziehern von Arbeitslosengeld II hat dies jedoch nur Relevanz für die aus weiteren beitragspflichtigen Einnahmen (z. B. Rente, Versorgungsbezüge) bzw. bei einer Mehrfachversicherung für die aus den beitragspflichtigen Einnahmen aufgrund des anderen Versicherungsverhältnisses (z. B. Arbeitsentgelt bei versicherungspflichtigen Beschäftigten) zu erhebenden Zusatzbeiträge.

[7] Nach § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V hat die Krankenkasse spätestens einen Monat vor Ablauf des Monats, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird, ihre Mitglieder in einem gesonderten Schreiben auf das Sonderkündigungsrecht, auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V sowie auf die Übersicht des GKV-Spitzenverbandes zu den Zusatzbeitragssätzen nach § 242 Abs. 5 SGB V hinzuweisen. Überschreitet der neu erhobene Zusatzbeitragssatz bzw. der erhöhte Zusatzbeitragssatz den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz, sind die Mitglieder zusätzlich auf die Möglichkeit hinzuweisen, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln. Diese Hinweispflichten gelten ebenso für die Bezieher von Arbeitslosengeld II, deren Beiträge ausschließlich nach dem durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz erhoben werden.

Beispiel:

Erhöhung eines Zusatzbeitrags ab 01.08.2016
Hinweis der Krankenkasse gegenüber ihren Mitgliedern spätestens am 31.07.2016
Die Sonderkündigung muss der Krankenkasse spätestens vorliegen am 31.08.2016

Ende der Mitgliedschaft:

Beim Eingang der Kündigung bis 31.08.2016 endet die Mitgliedschaft am
und zwar ungeachtet einer eventuell noch laufenden Bindungsfrist nach§ 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V
31.10.2016,
Nachweis der neuen Mitgliedschaft erforderlich bis zum Ende der Kündigungsfrist am 31.10.2016

[8] Kommt eine Krankenkasse ihrer Hinweispflicht gegenüber einem Mitglied nicht fristgerecht nach, gilt nach § 175 Abs. 4 Satz 7 erster Halbsatz SGB V eine erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt, für den der Zusatzbeitrag erstmalig erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird. Die Frist zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts endet ...

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