[1] Praxisintegrierte duale Studiengänge weisen einen hohen Anteil berufspraktischer Phasen auf. Im Unterschied zu klassischen Studiengängen (mit Praxisbezug) wird das Studium in diesen Studiengängen mit einer Tätigkeit in Betrieben derart verbunden, dass die Praxis inhaltlich und zeitlich mit der theoretischen Ausbildung verknüpft ist. Durch eine enge organisatorische und lehrplanmäßige Verzahnung zwischen dem Lernort Hochschule und dem Lernort Betrieb wird ein Teil der für den Studienabschluss erforderlichen Kompetenzen im Betrieb erworben und bewertet. Instrumente der Verzahnung sind beispielsweise Rahmenausbildungspläne der kooperierenden Betriebe, Abstimmungsverfahren zwischen Betrieb und Hochschule, Zielvereinbarungen oder Grundsätze für die Eignung von Betrieben usw. Solche Studiengänge werden von Hochschulen (Universitäten und Fachhochschulen) und Berufsakademien in öffentlicher oder privater Trägerschaft in verschiedenen Varianten angeboten. Je nach Studienmodell erfolgt der Einstieg ins Studium entweder direkt über die Hochschule bzw. Berufsakademie, die den Studierenden in der Regel an Kooperationsbetriebe vermittelt, oder durch Bewerbung bei einem Unternehmen, das mit der Hochschule bzw. Berufsakademie kooperiert.

Versicherungsrechtliche Beurteilung

[2] Teilnehmer an praxisintegrierten dualen Studiengängen sind - unabhängig von einer finanziellen Förderung durch einen Arbeitgeber/Kooperationsbetrieb - weder als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigte noch als zur Berufsausbildung Beschäftigte anzusehen, und zwar auch nicht in den berufspraktischen Phasen. Die während der Praktikumszeiten im Kooperationsbetrieb ausgeübten Tätigkeiten vollziehen sich nicht im Rahmen betrieblicher Berufsbildung und stellen keine Berufsausbildung dar. Derartige Praxisphasen werden im Rahmen und als Bestandteil einer Hochschulausbildung absolviert; sie fallen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Berufsbildungsgesetzes. Für sie besteht auch keine Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung zur Berufsausbildung. Solche berufspraktischen Phasen können trotz Vorliegens zweier eigenständiger Verträge (z. B. Studienvertrag und Praktikantenvertrag) sozialversicherungsrechtlich nicht als abtrennbar und gesondert zu betrachtendes Rechtsverhältnis verstanden werden (vgl. Urteil des BSG vom 01.12.2009 - B 12 R 4/08 R -, USK 2009-86). Dabei ist nach Ansicht des BSG unerheblich, ob der Einstieg ins Studium entweder direkt über die Hochschule bzw. Berufsakademie oder durch Bewerbung bei einem Unternehmen erfolgt.

[3] Ungeachtet dessen, dass die Teilnahme an einem praxisintegrierten dualen Studiengang für sich betrachtet keine Beschäftigung darstellt, kann im Einzelfall eine Versicherungspflicht als Arbeitnehmer für die Dauer des Studiums nicht ausgeschlossen werden, wenn dem Studium ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis beim Kooperationsbetrieb vorangeht und dieses entsprechend den unter Ziffer 1.3 genannten Voraussetzungen fortbesteht.

[4] Dem vorgenannten Urteil des BSG vom 01.12.2009 kommt über den entschiedenen Einzelfall hinaus damit grundsätzliche Bedeutung zu. Die versicherungsrechtliche Beurteilung von Teilnehmern an praxisintegrierten dualen Studiengängen ist spätestens ab dem Wintersemester 2010/2011 nach den in dieser gemeinsamen Verlautbarung dargestellten Grundsätzen zu beurteilen und gegebenenfalls umzustellen. Die bislang vertretene und hiervon insoweit abweichende Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung (vgl. Abschnitte B 1.2.8 und B 1.3.4 des gemeinsamen Rundschreibens vom 27.07.2004 zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von beschäftigten Studenten, Praktikanten und ähnlichen Personen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) wird nicht weiter aufrecht erhalten. Soweit in der Vergangenheit hiernach verfahren wurde bzw. bis zum Wintersemester 2010/2011 hiernach verfahren wird, wird dies von den Versicherungsträgern nicht beanstandet. Auf Antrag des Versicherten oder Arbeitgebers können jedoch die in der ursprünglichen Annahme einer Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung gezahlten Beiträge im Rahmen der Verjährung und nach Maßgabe des § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV sowie § 351 SGB III erstattet werden; in diesem Fall sind die Versicherungsverhältnisse rückwirkend umzustellen.

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