2.1 Allgemeines

[1] Der Begriff der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit ist weder gesetzlich noch untergesetzlich im Krankenversicherungs- oder Sozialversicherungsrecht definiert. Seine inhaltliche Bedeutung ergibt sich aus der jeweiligen Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Dabei wird in den beschriebenen Anwendungsbereichen dieser Grundsätzlichen Hinweise von einem systematischen Zusammenhang der jeweiligen Vorschriften, die den Begriff der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit verwenden, und der mit den Vorschriften verfolgten Regelungsabsichten ausgegangen. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung den Begriff mittlerweile für bestimmte Anwendungsfälle konkretisiert. Eine weitere Ausprägung haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung im Rahmen von Besprechungsergebnissen vorgenommen. Ferner besteht seit dem 23.7.2015 eine gesetzliche Vermutungsregelung, mit der Hauptberuflichkeit angenommen wird.

[2] Diese Grundsätzlichen Hinweise greifen die Entscheidungen und Besprechungsergebnisse von wesentlicher Bedeutung sowie die gesetzliche Vermutungsregelung auf und führen sie im Sinne einer für die Praxis der Krankenkassen relevanten Entscheidungshilfe zusammen. Dabei hängt die konkrete Beurteilung von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.

[3] Der Begriff der hauptberuflich selbstständigen Erwerbtätigkeit wird durch zwei Elemente geprägt:

  • die selbstständige Erwerbstätigkeit (vgl. Ausführungen unter Nummer 2.2) und
  • die Hauptberuflichkeit (vgl. Ausführungen unter Nummer 2.3); Hauptberuflichkeit wird bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen allerdings gesetzlich vermutet (vgl. Ausführungen unter Nummer 2.4).

[4] Damit wird bereits deutlich, dass in diesem Kontext nicht jede selbstständige Erwerbstätigkeit erfasst bzw. mit den entsprechenden Rechtsfolgen belegt ist, sondern nur solche, die in einer besonderen Ausprägung ausgeübt werden. Die Abgrenzung einer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit von einer nicht hauptberuflich ausgeübten selbstständigen Tätigkeit ist – außerhalb der gesetzlichen Vermutungsregelung oder wenn die gesetzliche Vermutung widerlegt werden soll – nach den unter Nummer 3 aufgeführten Grundsätzen vorzunehmen.

2.2 Selbstständige Erwerbstätigkeit

[1] Selbstständig erwerbstätig ist, wer als natürliche Person selbst mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft, in einem Gewerbebetrieb oder einer sonstigen insbesondere freiberuflichen Arbeit in persönlicher Unabhängigkeit und auf eigene Rechnung und Gefahr ausübt. Die Gewinnerzielungsabsicht, auf die die selbstständige Tätigkeit gerichtet sein muss, stellt dabei auf das sozialrechtlich relevante Arbeitseinkommen ab. Dieses ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit; es umfasst neben den steuerrechtlich maßgeblichen Einkünften aus selbstständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 EStG) auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 13 ff. EStG) und aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 15 ff. EStG). Die selbstständige Erwerbstätigkeit umfasst daher alle durch den Arbeitseinkommenbegriff in Bezug genommenen und auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten Handlungen. Das bedeutet, dass die Tätigkeit lediglich (subjektiv) darauf gerichtet sein muss, positive Einnahmen zu erzielen. Dagegen wird nicht verlangt, dass Einnahmen tatsächlich erzielt werden.

[2] Tätigkeiten, die nur aus Liebhaberei oder zum Zeitvertreib verrichtet werden, werden hingegen nicht zu Erwerbszwecken ausgeübt. Gleiches gilt für reine Vorbereitungshandlungen, die dazu dienen, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen, es sei denn, diese entfalten im Geschäftsverkehr bereits Außenwirkung und sind nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet.

[3] Tätigkeiten in Ausübung von Gesellschafterrechten (z. B. als Gesellschafter einer GmbH) sind keine selbstständigen Erwerbstätigkeiten, wenn diese sich allein dem gesellschaftsrechtlichen Bereich zuordnen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 4.6.2009, B 12 KR 3/08 R, USK 2009-62). Gleiches gilt, wenn allein die mit der gesellschaftsrechtlichen Stellung als Kommanditist einer GmbH & Co. KG und als (Allein-)Gesellschafter der Komplementär-GmbH verbundenen Pflichten wahrgenommen werden, ohne dass eine aktive Mitarbeit im Unternehmen stattfindet (vgl. BSG, Urteil vom 29.2.2012, B 12 KR 4/10 R, USK 2012- 23). Insofern stellt sich auch der mit dem Halten von Anteilen an Gesellschaften erzielte Gewinn nicht als typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundene Einkunftsart dar. Werden daneben jedoch auf der Grundlage zusätzlich bestehender Rechtsbeziehungen Tätigkeiten erbracht – schon die Vereinbarung einer Vergütung macht grundsätzlich einen zusätzlichen Vertragsschluss erforderlich –, kommt dagegen eine selbstständige Tätigkeit, insbesondere im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses, oder bei persönlicher Abhängigkeit die Annahm...

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