[1] Für natürliche Personen ist auf Antrag die Restschuldbefreiung möglich (siehe auch Beispiele unter Punkt 3.2). Sie soll bereits mit der Insolvenzantragstellung, spätestens im Berichtstermin, beantragt werden. Liegen keine Versagungsgründe (§ 290 und § 314 Abs. 3 Satz 2 InsO) vor, wird sie zunächst vorläufig gewährt. Ob Versagungsgründe vorliegen, wird vom Gericht nicht von Amts wegen geprüft, sondern entsprechende Einwände sind im Verfahren zur Restschuldbefreiung von den Gläubigern – also ggf. auch von den Einzugsstellen – vorzubringen. Die Restschuldbefreiung wirkt gegenüber allen (möglichen) Insolvenzgläubigern. Deshalb gilt auch hier die Zustimmung der Rentenversicherungsträger und der [akt.] Bundesagentur für Arbeit zur Niederschlagung der restlichen Ansprüche als erteilt.
[2] Ausgenommen von der erteilten Restschuldbefreiung sind Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung (§ 302 Nr. 1 InsO), z.B. Schadenersatzansprüche aus Beitragsvorenthaltung. Diese Ansprüche können nach Verfahrensabschluss weiterverfolgt werden. Dies wird aber nur bei höheren Ansprüchen wirtschaftlich gerechtfertigt sein, denn sowohl das Insolvenzverfahren als auch das Verfahren zur Restschuldbefreiung (zusammen also sieben Jahre + "x") müssen zunächst abgewartet werden. Liegt bezüglich der Schadenersatzforderung ein konstitutives (abstraktes) Schuldanerkenntnis vor, nimmt auch dieser Anspruch an der Restschuldbefreiung teil, da dann ein gesonderter – unabhängig von dem zugrunde liegenden Anspruch – vertraglicher Schuldgrund besteht. Es empfiehlt sich deshalb, wegen Schadenersatzansprüchen ein deklaratorisches (klarstellendes) Schuldanerkenntnis zu fordern, da dann der ursprüngliche Schuldgrund erhalten bleibt.
[3] Entsprechend den allgemeinen Wirkungen über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt auch im Verfahren über die Restschuldbefreiung der Grundsatz, dass vorherige Abtretungserklärungen nach drei Jahren . . ., gerechnet ab dem Insolvenzeröffnungsdatum, unwirksam werden. Sind laufende Bezüge schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten worden, so dass die Abtretung der pfändbaren Bezüge an den Treuhänder diese Beträge nicht umfasst, werden diese Vorausabtretungen nach drei Jahren seit Verfahrenseröffnung unwirksam. Die pfändbaren Bezüge erhöhen sich dann für den Rest der sieben Jahre . . . um diese Beträge. Gleiches gilt für Aufrechnungen. Verrechnungsersuchen beim Rentenversicherungsträger verlieren also ebenfalls drei Jahre nach Verfahrenseröffnung ihre Wirksamkeit.
[4] Die Einzugsstellen können im Verfahren zur Restschuldbefreiung nur die gebotenen Möglichkeiten sachgerecht ausschöpfen (Einwendung von Unredlichkeit). Ansonsten sind keine Alternativen geboten und gewollt.
[5] Gegenüber Bürgen von Beitragsschuldnern besteht eine Informationspflicht. Denn im Rahmen der Restschuldbefreiung wird der Schuldner auch gegenüber dem Bürgen frei, dieser jedoch nicht gegenüber dem Gläubiger. Darüber ist der Bürge zu unterrichten. Anderenfalls muss in der ggf. erforderlichen streitigen Auseinandersetzung zur Titulierung des Anspruchs aus der Bürgschaft damit gerechnet werden, dass die Bürgschaft als sittenwidrig und damit nichtig bewertet wird, wenn der Bürge einwendet, über die Folgen der Bürgschaftsabgabe nicht hinreichend informiert worden zu sein.