Zusammenfassung

 
Überblick

Angesichts der neueren europäischen und deutschen Rechtsprechung zur arbeitszeitschutzrechtlichen Dokumentationspflicht geleisteter Arbeitszeiten stellt sich verstärkt die Frage, wie Vertrauensarbeitszeit unter Beachtung gesetzlicher Aufzeichnungspflichten erfolgreich und rechtssicher umgesetzt werden kann.

Die Sinnhaftigkeit einer betriebsseitigen Arbeitszeiterfassung – insbesondere der "klassischen" elektronischen (Anwesenheits-)Zeiterfassung durch Kommen-/Gehen-Buchungen – wird seit inzwischen ca. 25 Jahren in der betrieblichen Praxis diskutiert. Zweifel an einem Festhalten an der exakten Arbeitszeiterfassung entstehen vor allem durch die technischen Möglichkeiten, von zu Hause oder unterwegs zu arbeiten.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen zur Höchstarbeitszeit, zum Ausgleich bei Überschreitungen des Arbeitszeitvolumens und zu Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers ergeben sich insbesondere aus dem Arbeitszeitgesetz. Beteiligungsrechte des Betriebsrats folgen u. a. aus § 80 Abs. 2 BetrVG (Auskunftsanspruch) sowie § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Mitbestimmung über Gesundheitsschutzmaßnahmen).

1 Vertrauensarbeitszeit im Spannungsfeld zwischen klassischer Anwesenheitszeiterfassung und ergebnisorientierten individuellen Arbeitszeiten

Anwesenheitszeit ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit Arbeitszeit.

Anwesenheitszeit vs. Arbeitszeit

Traditionelle Zeiterfassungssysteme messen insbesondere die Zeit der Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb – nicht aber dessen (tatsächliche) Arbeitszeit. Dies ist gerade für Arbeitnehmer in Bereichen mit wissensintensiven Dienstleistungen bedeutsam, die über einen hohen Grad an Eigenverantwortung sowohl bei der Aufgabenerfüllung als auch bei der Arbeitszeitgestaltung verfügen. Für diese (aber auch andere) Arbeitnehmer kommt es regelmäßig zu Durchmischungen von Arbeits- und Privatzeiten am Arbeitsplatz, im Zuge mobiler Arbeit auch außerhalb des Arbeitsplatzes. Die Erfassung bloßer Anwesenheitszeiten suggeriert bei zunehmend nicht standardisierten Arbeitsprozessen eine genaue Messbarkeit von Arbeitszeit, die tatsächlich nicht gegeben ist.

Individualisiertes Arbeitszeitverhalten vs. Standardpausenvorgaben

Elektronische (Anwesenheits-)zeiterfassung geht häufig mit standardisierten Pausenabzügen einher. Ein solcher Standardpausenabzug kollidiert mit dem Grundgedanken eigenverantwortlich gesteuerter flexibler Arbeitszeit: Die individuelle Gestaltung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit geht auch mit individuellen Pausenritualen einher. Die in vielen Betrieben mit klassischer Anwesenheitszeiterfassung anzutreffenden Diskussionen um "Privatzeitrituale" (insbesondere Raucherpausen) innerhalb der Arbeitszeit illustrieren diesen arbeitszeitsystematischen Zwiespalt von Anwesenheits- und Arbeitszeit. Im Interesse der Steigerung der Arbeitsproduktivität sollte es aber (im Rahmen der Aufgabenerfüllung) möglichst wenig Hindernisse für individuelle Arbeits- und Pausenrhythmen geben.

Exakte Zeiterfassung vs. "Unschärfe" der vereinbarten Arbeitszeit

Eine minutengenaue Zeiterfassung unterstellt eine exakte Begrenzung der individuellen Arbeitszeitverpflichtungen. Abgesehen von der grundsätzlichen Problematik der Unschärfe der Arbeitszeitabgrenzung bei "Wissensarbeitern", stellt sich für Arbeitnehmer mit pauschalierter Mehrarbeitsabgeltung die Frage, wieso Arbeitszeiten erfasst werden sollen, wenn der genaue Umfang der geleisteten Arbeitszeit vergütungsrechtlich irrelevant ist.

Stationäre Zeiterfassung vs. ortsflexibles Arbeiten

Die Entkoppelung von Arbeitszeit und betrieblichem Arbeitsplatz im Zuge mobiler Arbeit ("Homeoffice") unter Einsatz mobiler digitaler Arbeitsmittel wirft grundsätzlich die Frage nach dem Sinn klassischer Arbeitszeiterfassung als Erfassung der Zeit der Anwesenheit am betrieblichen Arbeitsplatz oder in der Betriebsstätte auf.

Der nachfolgende Beitrag stellt die Kernelemente der Vertrauensarbeitszeit als betriebliches Arbeitszeitmodell dar und zeigt die wichtigsten systematischen und rechtlichen Aspekte auf, die bei der Einführung von Vertrauensarbeitszeit zu beachten sind.

2 Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Als Vertrauensarbeitszeit werden Arbeitszeitmodelle bezeichnet, in denen der Arbeitgeber grundsätzlich auf eine Kontrolle der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit-Verpflichtungen verzichtet.

Vertrauensarbeitszeit bedeutet dabei nicht, dass es überhaupt keine Erfassung von Arbeitszeiten gibt: So kann die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten oder die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der Zuordnung von Arbeitszeiten zu bestimmten Aufgabenbereichen (Projekte, Kostenstellen, Kunden) eine Erfassung von Arbeitszeiten erforderlich machen. Entscheidend für die Vertrauensarbeitszeit ist, dass derartige Erfassungen nicht der Kontrolle der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit dienen.

Vertrauensarbeitszeit ist also kein "Abschied von der Arbeitszeit" im Sinne einer Ersetzung der Arbeitszeit-Verpflichtungen durch Ziele oder Ergebnisse, wie dies bei Werkverträgen der Fall ist. Der vereinbarte Umfang der Arbeitszeit bleibt bestehen. Bei Arbeitnehmern, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen, ergibt sich...

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