keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Wirtschaftsausschuss

 

Leitsatz (amtlich)

Aufgabe einer Einigungsstelle im Sinne von § 109 BetrVG ist die Entscheidung, ob, wann und in welcher Weise eine Auskunft gemäß § 106 Abs. 2, 3 BetrVG unter Vorlage welcher Unterlagen zu erteilen ist. Für die Frage, ob ein Wirtschaftsausschuss zu bestellen ist und ob der Arbeitgeber seine Pflicht zur Teilnahme an Sitzungen des Wirtschaftsausschusses verletzt hat, ist die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig.

 

Normenkette

BetrVG §§ 106-109, 118; ArbGG 98

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 12.06.2006; Aktenzeichen 19 BV 364/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 12. Juni 2006 – 19 BV 364/06 – abgeändert:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.

Der zu 2) beteiligte Arbeitgeber ist ein gemeinnütziger Verein, der bundesweit in 17 als „Verbünde” bezeichneten, auf der Grundlage eines Tarifvertrages gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gebildeten Regionalbetrieben, die jeweils zahlreiche räumlich getrennte Einrichtungen umfassen, soziale Dienste erbringt. Dazu gehören schul-, ausbildungs- und berufsbegleitende Bildung, berufliche und politische Bildung, Freizeithilfen, internationale Begegnungen, Sprach- und Berufsförderung, gesundheitliche Fürsorge und soziale Beratung und Betreuung. Zu den vom Arbeitgeber betriebenen Einrichtungen gehören Bildungszentren, medizinische Akademien, Jugendmigrationsdienste, Sprachinstitute, Jugendwohnheime und gästehäuser, Jugendhäuser, Kinder- und Jugendhilfen, Kindertagesstätten, Internate, Malerwerkstätten, Einrichtungen für betreutes Wohnen, Jobbörsen, Familienhilfen u.ä. In den jeweils von Betriebsräten repräsentierten 17 Betrieben und der zentralen Geschäftsführung werden gut 5.500 Arbeitnehmer sowie zahlreiche Honorarkräfte beschäftigt. Von den Arbeitnehmern sind fast 4.000 pädagogische Mitarbeiter (Erzieher, Lehrer, Sozialpädagogen, Psychologen usw.). Hinzu kommen 183 medizinische Mitarbeiter und 149 Lehrkräfte. Die Betriebsräte haben den antragstellenden Gesamtbetriebsrat gebildet.

Seit der Gründung des Arbeitgebers vor etwa dreißig Jahren wurde kein Wirtschaftsausschuss bestellt. Differenzen der Beteiligten über die Frage, ob der Arbeitgeber ein Tendenzunternehmen betreibt, wurden mit der im Juli 1995 in Kraft getretenen Gesamtrahmenbetriebsvereinbarung „Beschäftigungsverhältnisse” gelöst, auf deren Grundlage der Gesamtbetriebsrat Informationsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten erhielt. Nachdem der Arbeitgeber diese Betriebsvereinbarung zum 31. März 2004 kündigte, bestellte der Gesamtbetriebsrat in seiner Sitzung vom 24. – 26. August 2005 einen Wirtschaftsausschuss. Dieser richtete, ohne dass er bis dahin mit dem Arbeitgeber kommuniziert hatte, mit Schreiben vom 15. März 2006 folgende Erklärung an den Arbeitgeber:

„… im Auftrag des Wirtschaftsausschusses gemäß § 106 BetrVG lade ich Sie zur Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 07.04.06 um 13.00 Uhr ein.

Tagesordnung:

  1. Beschlussfassung über die Tagesordnung
  2. Erläuterung des Jahresabschlusses Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Wirtschaftsbericht nach § 321 HGB sowie des Lageberichts
  3. Forderungen des e.V. an verbundene Unternehmen
  4. Entwicklung der Unternehmensstruktur
  5. Entwicklung und Gewichtung der Geschäftsfelder, neue Maßnahmen, Ergebnisse der Marktanalysen im IB
  6. Berichtswesen der Verbünde – Beratung der Kennziffern
  7. Stand der Sanierung in den Verbünden
  8. Verschiedenes

Wir fordern Sie auf, die erforderlichen schriftlichen Unterlagen (siehe hier auch Fitting-Kaiser-Heither § 106 Rd.Nr. 25 ff BetrVG) zur Sitzung bereitzuhalten.”

Der Arbeitgeber wies die Einladung mit der Begründung zurück, der Wirtschaftsausschuss existiere für ihn nicht, und erschien zu der Sitzung nicht. Der Gesamtbetriebsrat beschloss am 26. April 2006, eine Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG anzurufen, und forderte den Arbeitgeber mit Schreiben vom 09. Mai 2006 auf, deren Bildung zuzustimmen. Gleichzeitig machte er Vorschläge zur Person des Vorsitzenden und zur Zahl der Beisitzer. Nachdem der Arbeitgeber dieses Anliegen mit Schreiben vom 17. Mai 2006 zurückwies, verfolgt es der Gesamtbetriebsrat im vorliegenden Verfahren weiter.

Der Gesamtbetriebsrat hat die Ansicht vertreten, der Streit über den Tendenzcharakter des Unternehmens stehe der Bestellung der Einigungsstelle nicht entgegen, da die Einigungsstelle über ihre Zuständigkeit und die Frage, ob der Wirtschaftsausschuss zu bilden war, als Vorfrage zu befinden habe, und beantragt,

  1. den Richter am Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Herrn A, Vorsitzender der Kammer 15 des Arbeitsgerichts, zum Vorsitz einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand der Auskunftserteilung über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens gemäß §§ 106, 109 BetrVG zu bestellen;
  2. die Zahl der Beisitzer auf jeder Seite auf drei zu bestimmen.

Der Arbeitg...

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