keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Beschwerde. Arbeitnehmer. Rechtsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Eine Einigungsstelle über die Beschwerde eines Arbeitnehmers gemäß § 85 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist nicht zu bestellen, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist (§ 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG). Dies gilt auch dann, wenn absehbar ist, dass der Arbeitnehmer in einem Prozess zur Durchsetzung des Anspruchs Darlegungs- oder Beweisschwierigkeiten haben wird.
Ansprüche von Betriebsratsmitgliedern auf Arbeitsbefreiung zur Durchführung ihrer Aufgaben und auf betriebsübliche Vergütung im Sinne von § 37 Abs. 2 – 4 BetrVG sind echte Rechtsansprüche. Eine derartige Ansprüche betreffende Beschwerde kann deshalb nicht gegen den Willen des Arbeitgebers zum Gegenstand einer erzwungenen Einigungsstelle gemacht werden.
Normenkette
ArbGG 98; BetrVG §§ 76, 85, 37 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Beschluss vom 25.01.2007; Aktenzeichen 10/6 BV 18/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2007 – Az.: 10/6 BV 18/06 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle.
Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die etwa hundert Arbeitnehmer der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin. Die Beteiligten sowie die Industriegewerkschaft Metall unterzeichneten am 25. Januar 2006 eine „Ergebnis Haustarifvertrag/Regelungsabrede Zukunftssicherung” bezeichnete Vereinbarung, gemäß deren Ziffer 1 im Betrieb der Arbeitgeberin eine wöchentliche Regelarbeitszeit von vierzig Stunden gelten sollte. Wegen des vollständigen Inhalts der Vereinbarung wird auf die Anlage AG 04 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2007 Bezug genommen. Am 24. August 2006 schlossen die Beteiligten die „Betriebsvereinbarung über Arbeitszeiten in Produktion und Administration” (nachfolgend: BV), in der sie im Wesentlichen die Verteilung der Wochenarbeitszeit und die Einrichtung von Arbeitszeitkonten regelten. Die §§ 16 und 17 BV enthalten u.a. folgende Bestimmungen:
„§ 16 Abweichende Arbeitszeitregelungen
Wird im Einzelfall von den Regelungen dieser Betriebsvereinbarung durch individuelle Vereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber abgewichen, gehen diese Vereinbarungen der Betriebsvereinbarung vor. …
§ 17 Meinungsverschiedenheiten
Im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung auftretende Meinungsverschiedenheiten sollen von den Parteien mit dem ernsten Willen der Einigung beigelegt werden. Der Rechtsweg ist hierdurch nicht ausgeschlossen; insbesondere hat jede Partei das Recht die Einigungsstelle anzurufen.”
Wegen des vollständigen Inhalts der BV wird auf die Anlage AS 11 zum Schriftsatz vom 23. Januar 2007 Bezug genommen. Der Betriebsrat ist der Ansicht, sein Vorsitzender werde von der Arbeitgeberin seit Anfang 2004 auf vielfältige Weise benachteiligt. Wegen der Einzelheiten wird auf die S. 6 – 11 des Schriftsatzes vom 23. Februar 2007 verwiesen. Der Betriebsratsvorsitzende richtete mit Schreiben vom 28. April 2006 unter der Überschrift „Benachteiligung durch Betriebsratstätigkeit” eine Beschwerde an die Arbeitgeberin. Mit dieser forderte er die Gutschrift von 42,5 durch die Arbeitgeberin für die Monate Februar bis April 2006 als Betriebsratsarbeit nicht anerkannter Stunden in seinem Zeitkonto, die Differenz zwischen dem von der Arbeitgeberin zugrunde gelegten Stundenlohn von EUR 17,10 und dem vom Beschwerdeführer für zutreffend erachteten Stundenlohn von EUR 20,26 für die Zeit von November 2004 bis April 2006 in Höhe von EUR 3.681,81, die Zahlung einer seit dem Beginn seiner Betriebsratstätigkeit nicht mehr erbrachten Schichtzulage für die Zeit von Juli 2004 bis April 2006 in Höhe von EUR 4.896,51, die Gewährung einer Lohnerhöhung um EUR 1,02 pro Stunde ab 01. Mai 2006 und die Zugrundlegung seiner arbeitsvertraglichen Wochenarbeitszeit von 37 Stunden anstatt der tariflichen Wochenarbeitszeit von 40 Wochenstunden bei der Zeiterfassung und bei der Lohnabrechnung. Er kündigte weiter an, nach der Vorlage aller Unterlagen werde er auch „die Ungleichbehandlung bezüglich der bezahlten 15 Minuten Pause (01.07.2004 bis 31.03.2006) … zur Berechnung anstellen”. Falls bis 05. Mai 2006 keine einvernehmliche Regelung gefunden worden sei, werde er die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben. Dieser machte die Forderungen mit Schreiben vom 15. Mai 2006 unter Hinweis auf § 37 Abs. 3, Abs. 4 BetrVG erneut geltend.
Nachdem das Schreiben vom 28. April 2006 auch dem Betriebsrat zugeleitet worden war, erklärte der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt. Da innerbetriebliche Verhandlungen scheiterten, betreibt der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren die Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BetrVG. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG stehe der Bestellung nicht entgegen, da ein Rechtsanspruch im Sinne dieser Norm nur vorliege, wenn sich das mit der Beschwerde verfolgte Ziel ohne weiteres mit ein...