Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Zuständigkeit einer Einigungsstelle für Arbeitnehmerbeschwerden
Leitsatz (amtlich)
Die die Zuständigkeit einer Einigungsstelle für Arbeitnehmerbeschwerden ausschließende Einschränkung von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, dass Gegenstand der Beschwerde kein Rechtsanspruch sein darf, ist angesichts des Normzwecks einschränkend auszulegen. Sie gilt nur für Rechtsansprüche im engeren Sinn, nicht für Rechtsansprüche im weiteren Sinn, die dem Arbeitgeber einen Ermessensspielraum überlassen, wie etwa bei der Ausübung des Direktionsrechts (ständige Rechtsprechung des Hess. LAG).
Wird mit der Beschwerde bei der Ausübung des Direktionsrechts dagegen nicht die Ermessensausübung innerhalb der Grenzen des Direktionsrechts, sondern eine Überschreitung der äußeren Grenzen des Direktionsrechts gerügt, handelt es sich um eine reine Rechtsfrage und damit um einen die Zuständigkeit der Einigungsstelle ausschließenden Rechtsanspruch im engeren Sinne.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 85; ArbGG § 100
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.02.2017; Aktenzeichen 12 BV 85/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2017 - 12 BV 85/17 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Bestellung einer Einigungsstelle anlässlich von Arbeitnehmerbeschwerden.
Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt Airlinecatering. Der antragstellende Betriebsrat repräsentiert die von der Arbeitgeberin in ihrem Betrieb auf dem Flughafen Frankfurt am Main beschäftigten Arbeitnehmer.
Die Arbeitgeberin vergütet die Arbeitnehmer nach einem Vergütungstarifvertrag, der als unterste Stufe in der Tarifgruppe I eine Tätigkeit als operativer Mitarbeiter und als nächsthöhere Stufe in der Tarifgruppe II eine Tätigkeit als Fachkraft vorsieht. Die Beschwerde führenden Arbeitnehmer sind durch arbeitsvertragliche Bezugnahmen an diese Regelung gebunden und wurden als operative Mitarbeiter eingestellt. Sieben der acht Beschwerdeführer beschwerten sich im Jahr 2016 darüber, dass ihnen Fachkraftaufgaben zugewiesen, sie aber gleichwohl als operative Mitarbeiter entlohnt würden. Nachdem der Betriebsrat die Beschwerden für berechtigt erklärt und die Arbeitgeberin diesen nicht abgeholfen hatte, leitete der Betriebsrat beim Arbeitsgericht das Einigungsstellenbestellungsverfahren - 3 BV 842/16 - ein. Das Arbeitsgericht wies den Antrag mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. Dezember 2017 zurück.
Unter dem 29. Dezember 2016 richteten die Beschwerdeführer die verfahrensgegenständlichen Beschwerden an den Betriebsrat. Mit diesen rügten sie erneut, dass ihnen Fachkrafttätigkeiten zugewiesen würden. Der Betriebsrat erklärte die Beschwerden für berechtigt und leitete, nachdem die Arbeitgeberin den Beschwerden nicht abgeholfen hatte, das vorliegende Einigungsstellenbestellungsverfahren ein.
Wegen des erstinstanzlichen SachA und Streitstands wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag des Betriebsrats zurück.
Der Betriebsrat legte gegen den am 15. März 2017 zugestellten Beschluss am 27. März 2017 Beschwerde ein und begründete diese gleichzeitig. Der Betriebsrat hält an seiner Ansicht fest, dass Gegenstand der Beschwerden nicht Rechtsansprüche im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG seien, und beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2017 - 12 BV 85/17 - abzuändern und den Vorsitzenden Richter am Hessischen Landesarbeitsgericht a. D. A zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Beschwerden der Arbeitnehmer B, C, D, E, F, G, H und I" mit jeweils einem Beisitzer pro Seite zu bestellen.
Die Arbeitgeberin verteidigt zur Begründung ihres Zurückweisungsantrags die Würdigung des Arbeitsgerichts wie im Schriftsatz vom 21. April 2017 ersichtlich.
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Bestellungsantrag des Betriebsrats gemäß §§ 76 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 BetrVG, 100 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 ArbGG zu Recht zurückgewiesen, weil die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG).
Nach dieser Norm kann ein Antrag auf Bestellung einer Einigungsstelle gemäß § 76 Abs. 2 S. 2, S. 3 BetrVG nur zurückgewiesen werden, sofern die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Dies setzt voraus, dass die Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, dass ihre Zuständigkeit also bei sachgerechter Beurteilung auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das ist nicht der Fall, wenn in Rechtsprechung und Literatur Kontroversen über die für die Zuständigkeit der Einigungsstelle maßgeblichen Rechtsfragen bestehen. Das Bestellungsverfahren dient nicht der Klärung komplizierter Rechtsfragen. Dies obliegt gegebenenfalls vielmehr der Einigungsstelle selber und sodann den Arbeitsgerichten in einem Beschlussverfahren über die Rechtm...