Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsratsschulungen bei im Preis einer Schulungsveranstaltung enthaltenen Kosten für aufwändige Seminarbeigaben
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsratsschulungen beschränkt sich auf die erforderlichen Kosten. Dies beurteilt sich nach der Erforderlichkeit der Schulungsveranstaltung. Maßgeblich ist, ob das Betriebsratsmitglied die auf dem Seminar vermittelten Inhalte benötigt, um sein Amt ausüben zu können.
2. Ein privater (nicht gewerkschaftlicher) Schulungsveranstalter ist nicht zu einer Aufschlüsselung seiner Kostenrechnung verpflichtet.
3. Wertvolle Seminarbeigaben (unter anderem ein Tablet) führten hier nicht dazu, dass die Schulungsteilnahme nicht erforderlich, noch mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden war. Der Preis für die Teilnahme lag im Bereich des Marktüblichen. Die Veranstaltung war nicht -unter Verzicht auf die Seminarbeigaben- zu einem günstigeren Preis buchbar.
4. Die Seminarbeigaben stellen keine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds nach § 78 Satz 2 BetrVG dar. Jedenfalls lassen sie die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für die Schulungsveranstaltung nicht entfallen.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6, § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 03.09.2019; Aktenzeichen 10 BV 6/19) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 3. September 2019 – 10 BV 6/19 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Freistellung des Betriebsrats von Schulungskosten sowie die Erstattung von Fahrtkosten eines Betriebsratsmitglieds zu einer Schulungsveranstaltung.
Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 2) betreibt eine Wohn- und Fördereinrichtung für geistig und körperlich Behinderte. Bei ihm ist ein aus 5 Mitgliedern bestehender Betriebsrat (Antragsteller) gebildet, dem der Beteiligte zu 3 als Mitglied angehört.
Der Betriebsrat beschloss am 10. Dezember 2018 die Teilnahme des Beteiligten zu 3 an dem Seminar Betriebsverfassungsrecht Teil 1 des Veranstalters A in der Zeit vom 4.-7. Februar 2019 in B (Bl. 116 d.A.). Wegen des Inhalts der Veranstaltung wird auf die Seminarausschreibung Bl. 5 der Akte Bezug genommen. Der Arbeitgeber lehnte mit Schreiben vom 17. Januar 2019 (Bl. 4 der Akte) die Entsendung des Beteiligten zu 3 zu der Schulungsveranstaltung ab und begründete dies wie folgt: „Es liegt offensichtlich eine unzulässige Berechnung von Arbeitsmittelkosten in den Seminarkosten (Tablet) vor. Zudem handelt es sich bei dem Start Kit um Akquise-Geschenke, die weit über den Rahmen einer kleinen Anerkennung hinausgehen.“ Der Beteiligte zu 3 nahm gleichwohl an der Veranstaltung teil, wofür der Schulungsveranstalter dem Betriebsrat unter dem 24.5.2020 die Seminargebühr von 831,81€ (Blatt 149 der Akte) und die Tagespauschale und Parkgebühren in Höhe von 233,98€ (Blatt 150 der Akte) in Rechnung stellte. Ferner entstanden dem Beteiligten zu 3 Fahrtkosten in Höhe von 167,40€ (558 km á 0,30€).
Der Beteiligte zu 3 gehört dem Betriebsrat erstmals an. Bei der streitgegenständlichen Schulungsveranstaltung handelt es sich um eine sog. Grundschulung. Streitig ist die Schulungsteilnahme allein deshalb, weil jeder Teilnehmer des Seminars „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ des Veranstalters A von dem Seminaranbieter
- ein Tablet für die Betriebsratsarbeit
- den Handkommentar Fitting zum BetrVG mit Wahlordnung
- eine dtv-Ausgabe der Arbeitsgesetze
- einen USB-Stick, einen Laserpointer, einen Taschenrechner sowie
- eine praktische Tasche
erhält. Den Wert dieser Zugaben beziffert der Arbeitgeber mit insgesamt 442,90€ (Bl. 30 der Akte).
Ferner erhält jeder Teilnehmer eine kostenfreie anwaltliche Erstberatung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt, die nach dem Vortrag des Arbeitgebers einen Wert von 226€ hat (Bl. 46 der Akte).
Mit seiner am 11. April 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Freistellung von den Seminargebühren und die Erstattung der Fahrtkosten an den Beteiligten zu 3 verlangt. Mit einem am 8. August 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er antragserweiternd die Freistellung von der Tagespauschale und den Parkgebühren geltend gemacht.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Seminaranbieter müsse seine Kosten genauer aufschlüsseln. Die gelte auch für die Tagespauschale. Die Kalkulation des Seminaranbieters sei nicht bekannt und daher nicht nachvollziehbar. Die Zugaben seien nicht erforderlich im Sinne von § 40 BetrVG.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2019 hat sich der Seminarveranstalter gegenüber dem Betriebsrat zu den Seminarbeigaben erklärt; insoweit wird auf Blatt 15, 16 der Akte Bezug genommen. Dort heißt es: „Bei sämtlichen Seminarbeigaben handelt es sich um kostenlose Beigaben zum Seminar. Entsprechend führt eine vorherige Ablehnung oder ...