Arbeitgeber darf Betriebsrat für Schulung nicht auf Webinar verweisen
Arbeitgeber müssen Betriebsratsmitglieder für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen freistellen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Die Kosten für solche Schulungen muss der Arbeitgeber übernehmen. Das sieht das Betriebsverfassungsgesetz vor und macht grundsätzlich keine Vorgaben zur Veranstaltungsform. Neben Präsenzseminaren ist die Teilnahme an virtuellen Schulungen, sogenannten Webinaren, prinzipiell möglich.
Im vorliegenden Fall weigerte sich der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein auswärtiges Präsenzseminar zu erstatten, da es auch ein inhaltsgleiches Webinar gegeben hätte. Das wäre deutlich günstiger für den Arbeitgeber gewesen. Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch: Ob die Schulung in Präsenz oder virtuell besser ist, darf der Betriebsrat selbst entscheiden - nicht der Arbeitgeber.
Betriebsrat bevorzugt Schulung in Präsenz statt Webinar
Der Arbeitgeber im konkreten Fall ist eine Airline, bei der die Kabinenbeschäftigten eine betriebliche Interessensvertretung gewählt haben. Für die Rechte dieser Personalvertretung Kabine (PV Kabine) gelten die Regelungen des Betriebsverfassungsrechts (BetrVG) entsprechend. Ursprünglich wollte die PV Kabine zwei ihrer Mitglieder, die in Düsseldorf und Köln wohnen, zu einer Präsenzschulung nach Rügen schicken. Das Thema: "Betriebsverfassungsrecht Teil 1". Aus Kostengründen schlug der Arbeitgeber ortsnähere Seminarorte vor oder ein Webinar. Daraufhin beschloss die PV Kabine, die beiden Mitglieder im gewählten Zeitraum Ende August 2021 zu einer Schulung "Betriebsverfassungsrecht Teil 1" in Potsdam zu entsenden. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 1.818,32 Euro brutto für die Schulung sowie weiteren 1.319,26 Euro brutto für Übernachtung und Verpflegung. Die Hin- und Rückreise der beiden Mitglieder erfolgte per Flug nach Berlin auf nicht von Kunden gebuchten Plätzen der Airline.
Arbeitgeber verweigert die Kostenübernahme: Verpflichtung zur Teilnahme an Webinar?
Die Airline weigerte sich, die Kosten für die Schulung in Potsdam sowie für Übernachtung und Verpflegung zu übernehmen. Ihrer Auffassung nach hätten die die beiden Mitglieder der PV Kabine an einem kostengünstigeren Webinar des gleichen Schulungsanbieters mit identischem Schulungsinhalt teilnehmen können, zumal dann keine Übernachtungs- und Verpflegungskosten angefallen wären. Zudem wäre im maßgeblichen Zeitraum auch der Besuch von kostengünstigeren Präsenzseminare im näheren Einzugsgebiet möglich gewesen. Die PV Kabine war dagegen überzeugt, dass sie sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen müsse. An näheren Orten gehaltene Präsenzseminare wären unter anderem wegen des Urlaubs eines Mitglieds im maßgeblichen Zeitraum nicht in Betracht gekommen.
Arbeitgeber muss alle Kosten für Präsenzseminar erstatten
Vor Gericht verlangte die PV Kabine, den Arbeitgeber zur Übernahme der gesamten Kosten für das Seminar in Potsdam zu verpflichten. Diesem Begehren hat die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Düsseldorf, entsprochen. In der Beschwerde stritten Arbeitgeber und Personalvertretung zuletzt nur noch über die Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Auch diese Kosten muss der Arbeitgeber tragen, entschied in zweiter Instanz das LAG Düsseldorf. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hatte vor dem Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.
Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich sei. Diese Voraussetzungen waren vorliegend gegeben. Der Arbeitgeber muss auch für die Übernachtungs- und Verpflegungskosten des Präsenzseminars aufkommen, bestätigte nun auch das oberste Arbeitsgericht.
BAG: Spielraum bei Schulungsformat
Das BAG stellte klar, dass die Personalvertretung sich nicht auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung verweisen lassen musste. Ebenso wie ein Betriebsrat habe die Personalvertretung bei der Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen gewissen Spielraum. Dieser umfasse grundsätzlich auch das Schulungsformat. Dabei stehe dem nicht entgegen, dass bei einem Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der Schulungsteilnehmenden regelmäßig höhere Kosten anfallen würden als bei einem Webinar.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 7. Februar 2024, Az. 7 ABR 8/23; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 24. November 2022, Az: 8 TaBV 59/21
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