Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der vom Betriebsrat zu wahrenden Geheimhaltungspflicht. Verschwiegenheitspflicht des Betriebsrats hinsichtlich eines geplanten interessenausgleichspflichtigen Personalabbaus
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geheimhaltungspflicht des § 79 BetrVG unterliegen nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter interessenausgleichspflichtiger Personalabbau stellt kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne von § 79 BetrVG dar.
2. Jedes Betriebsratsmitglied ist berechtigt, sich auf eine bevorstehende Betriebsratssitzung angemessen vorzubereiten, wozu auch die Einholung von Rechtsrat der Gewerkschaft gehören kann. Es ist insoweit nicht gehalten, das in § 31 BetrVG vorgesehene Verfahren auf Teilnahme eines Gewerkschaftsvertreters an den Betriebsratssitzungen einzuhalten.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 1, § 79
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 14.09.2016; Aktenzeichen 8 BV 14/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 14. September 2016 - 8 BV 14/16 - abgeändert:
Der Antrag der Beteiligten zu 1 und 3 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über den Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat.
Im Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligter zu 3.) ist ein aus 5 Mitgliedern bestehender Betriebsrat (Antragsteller) gebildet, dem der Beteiligte zu 2 als Mitglied angehört. Dieser ist das einzige gewerkschaftlich organisierte Betriebsratsmitglied in diesem Betrieb.
Am 23. März 2016 unterrichtete die Geschäftsleitung den Betriebsratsvorsitzenden im Beisein des Betriebsratsmitglieds A darüber, dass sie die Produktion der Polyolefin-Linie einstellen und die Abteilungen POE, POK und POR schließen wolle. Das Betriebsratsmitglied A fuhr deshalb am 5. April 2016 zu dem im Außenlager des Betriebs beschäftigten Beteiligten zu 2, um ihn hierüber zu informieren und zu einer Betriebsratssitzung am 8. April 2016 einzuladen. Er bat ihn, die Angelegenheit auf Wunsch des Arbeitgebers absolut vertraulich zu behandeln, um Unruhe und Sachbeschädigungen, wie sie in der Vergangenheit erfolgten, zu vermeiden. Daran hielt sich der Beteiligte zu 2 nicht, sondern informierte die Gewerkschaft.
Wegen dieses Verhaltens begehren Betriebsrat und Arbeitgeber den Ausschluss des Beteiligten zu 2 aus dem Betriebsrat.
Hinsichtlich der des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. der Gründe (Bl. 58-59 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Der Beteiligte zu 2 habe das Gebot der Vertraulichkeit innerhalb des Betriebsrats in grober Weise und vorsätzlich verletzt. Er habe wenigstens die bevorstehende Betriebsratssitzung zu diesem Thema abwarten müssen, bevor er Informationen an Dritte weitergab.
Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Beteiligten zu 2 am 2. Januar 2017 zugestellt. Er hat dagegen am 17. Januar 2017 Beschwerde eingelegt und diese am 14. Februar 2017 begründet.
Der Beteiligte zu 2 rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass auch die Gewerkschaft nach § 79 Abs. 2 BetrVG einer Geheimhaltungspflicht unterliege. Das Anliegen, vor der außerordentlichen Betriebsratssitzung vom 8. April 2016 absolutes Stillschweigen über die geplante Personalabbaumaßnahme zu wahren und dem Beteiligten zu 2 zu untersagen, die Gewerkschaft zu informieren, sei unberechtigt gewesen. Auch das einzelne Betriebsratsmitglied habe das Recht, sich vor einer Betriebsratssitzung über eine geplante Betriebsänderung individuell sachkundig über die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats zu machen. Der Betriebsratsvorsitzende habe von der geplanten Maßnahme bereits seit 23. März 2016 gewusst und sich hierzu zunächst anwaltlich beraten lassen, bevor er kurzfristig in der 14. Kalenderwoche eine außerordentliche Betriebsratssitzung einberufen habe. Der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter dürften einzelnen Mitgliedern des Betriebsrats nicht untersagen, sich vor einer anstehenden Betriebsratssitzung über Handlungsmöglichkeiten von der Gewerkschaft beraten zu lassen. Einen Betriebsratsbeschluss zur Wahrung von Stillschweigen habe es nicht gegeben. Der Beteiligte zu 2 habe als einziges Gewerkschaftsmitglied innerhalb des Betriebsrats befürchten müssen, dass in der Sitzung weitreichende Beschlüsse gefasst werden. Jedenfalls liege keine grobe Verletzung seitens des Beteiligten zu 2 vor. Tatsächlich habe er in einem zweiminütigen Telefonat mit dem Gewerkschaftssekretär, Herrn B, keine andere Antwort erhalten, als der Betriebsratsvorsitzende von seinem Anwalt.
Der Beteiligte zu 2 beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 14. September 2016 - 8 BV 14/16 - abzuändern und den Antrag der Beteiligten zu 1 und 3 zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1 und 3 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung...