keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkasse. Unpfändbarkeit. Arbeitseinkommen. Urlaubsentschädigungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Der Urlaubsentschädigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 8 BRTV-Bau ist weder gemäß § 850 a Nr. 2 ZPO noch gemäß § 850 c) Satz 1 ZPO unpfändbar.
Normenkette
TVG 1; ZPO §§ 850a, 850c
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen 4 Ca 1900/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27.04.2006 – 4 Ca 1900/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Entschädigungsanspruch durch Aufrechnung erloschen ist.
Der Kläger war im Jahr 2002 bei einem im Baugewerbe tätigen Arbeitgeber beschäftigt und erwarb einen Anspruch von 6 Urlaubstagen mit einer Urlaubsvergütung in Höhe von EUR 833,45 brutto. Von seinem Arbeitgeber erhielt der Kläger auf diesen Betrag EUR 416,73 brutto ausgezahlt.
Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat zum Ziel, den in der deutschen Bauwirtschaft tätigen Arbeitnehmern einen zusammenhängenden Urlaub zu gewährleisten. Kann der Urlaub nicht in natura genommen werden, steht dem Arbeitnehmer nach näherer Maßgabe des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) ein Anspruch auf Entschädigung gegen den Beklagten zu. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Entschädigungsbetrag EUR 328,80 netto beträgt. Dem Beklagten steht gegen den Kläger aus einer früheren Tätigkeit des Klägers als Arbeitgeber im Baugewerbe eine titulierte Forderung in der Gesamthöhe von EUR 4.356,34 zu.
Mit Schreiben vom 29. Februar 2004 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Entschädigungsanspruch in Höhe von EUR 833,45 geltend (vgl. Bl. 7 d. A.). Mit Schreiben vom 22. April 2004 erklärte der Beklagte in Höhe des dem Kläger verbliebenen Entschädigungsanspruchs in Höhe von EUR 328,80 die Aufrechnung mit der titulierten Beitragsforderung in Höhe von EUR 4.356,34.
Der Kläger hat zuletzt vom Beklagten die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von EUR 328,80 netto begehrt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die vom Beklagten erklärte Aufrechnung gegen den ihm zustehenden Entschädigungsanspruch im Rahmen der Unpfändbarkeitsgrenzen nicht zulässig sei. Der Entschädigungsanspruch sei ebenso wie ein Urlaubsabgeltungsanspruch nicht pfändbar, zumal der Entschädigungsanspruch steuerrechtlich als Arbeitslohn gewertet werde.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn EUR 328,80 netto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die erklärte Aufrechnung gegen den Entschädigungsanspruch des Klägers sei zulässig.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 27. April 2006 – 4 Ca 1900/05 – die Klage abgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, die Entschädigung des Klägers in Höhe von EUR 328,80 sei durch Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB erloschen. Das Aufrechnungsverbot gem. § 394 BGB greife nicht ein. Der Entschädigungsanspruch sei nicht gem. § 850 a Nr. 2 ZPO unpfändbar. Der Sinn und Zweck der Vorschrift gebiete es, sie nicht auf den Urlaubsentschädigungsanspruch gemäß BRTV-Bau anzuwenden. § 850 a Nr. 2 ZPO beziehe sich nur auf Urlaubsgeld und damit auf diejenige Sonderzuwendung mit Gratifikationscharakter, die der Arbeitnehmer über sein sonstiges Einkommen hinaus als Zuschuss zur Ermöglichung der Erholung erhalte. Nur dieses zusätzliche Entgelt, das auch einen ideellen Zweck, nämlich die Förderung der Erholung verfolge, solle ausnahmsweise nicht pfändbar sein. Dieser Gedanke sei auf den Urlaubsentschädigungsanspruch gem. § 8 Nr. 6 bzw. Nr. 8 BRTV-Bau nicht zu übertragen. In diesen Fällen gehe es nur noch um einen finanziellen Ausgleich für den in natura nicht mehr nachzugewährenden Urlaub. Eine Aufteilung des einheitlichen Anspruchs Urlaubsvergütung in einen pfändbaren und unpfändbaren Teil komme nicht in Betracht. Der Entschädigungsanspruch werde zwar aus der Urlaubsvergütung, die sich aus dem Urlaubsentgelt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld zusammensetze, errechnet. Der Beklagte müsse jedoch einen einheitlichen Prozentsatz des Bruttolohns an den Arbeitnehmer auszahlen, ohne dass nach der tariflichen Regelung eine Aufteilung in die Anteile Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld gewollt gewesen sei. Wegen dieser unterschiedlichen Zweckrichtung sei es gerechtfertigt, § 850 a Nr. 2 ZPO weder auf die Urlaubsabgeltung noch auf die Urlaubsentschädigung gem. § 8 Nr. 6 und Nr. 8 BRTV-Bau anzuwenden.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 14. Juni 2006 zugestellt worden. Am 03. Juli 2006 ist ein Prozesskostenhilfeantrag des Klägers für das Berufungsverfahren eingegangen. Mit Beschluss vom 15. September 2006 ist dem Kläger für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Dieser Beschluss ist am 23. Januar 2007 an den Kläger ab...