Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Reisekostenerstattung. Vertragsstrafe. AGB-Kontrolle. Anspruch auf einbehaltenen Nettolohn wegen der Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede. kein Anspruch auf zusätzliche Erstattung von Reisekosten mangels einer Anspruchsgrundlage. Teilweise Einbehaltung von Lohn als Vertragsstrafe. Anspruch auf Erstattung von Reisekosten
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Auch wenn eine Betriebsordnung die Möglichkeit vorsieht, für Fehlleistungen des Arbeitnehmers eine Vertragsstrafe zu fordern, sind deren Höhe gem. § 307 Abs.2 Satz 1 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben Grenzen gesetzt.
b) Die Verletzung der Anzeigepflicht bei Erkrankung rechtfertigt es nicht, als Vertragsstrafe einen Brutto-Wochenlohn einzubehalten.
2. Wird im Rahmen einer Betriebsordnung § 670 BGB abbedungen, kann der Arbeitnehmer Erstattung von Aufwendungen nur dann beanspruchen, wenn dies zuvor konkret vereinbart wurde.
Normenkette
BGB § § 305 ff., §§ 611, 670, 307 Abs. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 03.05.2011; Aktenzeichen 6 Ca 288/10) |
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat April 2010 in Höhe von 199,50 EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 98 %, die Beklagte zu 2 % zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung und eine von der Beklagten vom Lohn einbehaltene Vertragsstrafe.
Die Beklagte unterhält ein Personaldienstleistungsunternehmen. Der Kläger ist bei ihr seit dem 15.06.2009 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26.05.2009 (Bl. 10-16 d.a.) als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sollte kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der mit der Tarifgemeinschaft A geschlossene Manteltarifvertrag für die Zeitarbeitsbranche Anwendung finden. Außerdem übergab die Beklagte eine Allgemeine Betriebsordnung, Stand 22.10.2008, deren Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger mit seiner Unterschrift am 25.05.2009 bestätigte. Auf die Regelungen der Betriebsordnung, insbesondere zum Ersatz von Aufwendungen und zu den Vertragsstrafen, wird Bezug genommen (Bl. 50-52 d.A.). Mit Schreiben vom 26.05.2009 erteilte die Beklagte eine Zusage über die Zahlung einer Pauschale zum Ersatz von Aufwendungen, die sich im Falle des Einsatzes ab 100 km vom Wohnort entfernt auf arbeitstäglich € 34,00 belief (Bl. 17 d.A.). Für Einsätze bei der Fa. B in C (nahe D) erhöhte die Beklagte mit Schreiben vom 9.12.2009 (Bl. 18 d.A.) die steuerfreie Fern-Auslösung für Reisekosten und Übernachtung auf € 38,00 pro Tag. Der Kläger war zunächst in E, ab dem 22.06.2009 bis zum 31.07.2010 dann durchgehend bei dem Kunden Fa. B eingesetzt.
Nach den von der Beklagten erstellten Reisekostenabrechnungen legte der Kläger auf den Fahrten zwischen seinem Wohnort und dem Sitz des Kunden in C im Zeitraum Juni 2009 bis Juli 2010 insgesamt 30.940,50 km zurück. Mit Schreiben vom 30.06.2010 machte der Kläger erstmals schriftlich den Ersatz der für die Fahrten zwischen dem Wohnort und dem Einsatzort entstandenen Reisekosten in Höhe von € 0,30 pro gefahrenem km geltend. Die Beklagte lehnte weitere Zahlungen unter Hinweis auf den pauschalierten Aufwendungsersatz in Gestalt der vereinbarten Fern-Auslösung und die tarifliche Ausschlussfrist ab. Die Beklagte zahlte dem Kläger für den Klagezeitraum einen Betrag in Höhe von € 7.480,00 als Aufwendungsersatz.
Ab dem 13.04.2010 war der Kläger nach einer Zahnoperation für mehrere Tage arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte erlangte davon erstmals am 16.04. 2010 durch Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Kenntnis. Unter Berufung auf Ziff.4 Betriebsordnung und § 8 Arbeitsvertrag behielt sie wegen der nicht unverzüglichen Mitteilung der Arbeitsverhinderung mit der Lohnabrechnung für April 2010 eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Tagesverdiensten des Klägers, nämlich € 199,50, ein.
Mit seiner am 1.09.2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage beansprucht der Kläger die Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 9.284,85 brutto sowie die Auszahlung der vom Lohn für April 2010 einbehaltenen Vertragsstrafe in Höhe von € 199,50.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens, der Rechtsansichten beider Parteien sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 135 - 138 d.A.).
Das Arbeitsgericht Offenbach hat mit Urteil vom 3.05.2011 - Az. 6 Ca 288/10 - die Klage zu beiden Punkten abgewiesen. Zur Begründung der Entscheidung hat es ausgeführt, dass es für eine weitere Erstattung von Fahrtkosten an einer Anspruchsgrundlage fehle. Die Erstattung von Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Verpflegungsmehraufwand sei mit den Zusagen der Beklagten vo...