Entscheidungsstichwort (Thema)

a.K. wg. Verletzung der Anzeigepflicht bei a.K. Weiterbeschäftigung. Restlohn. unwirksame Vertragsstrafenabrede. Außerordentliche Kündigung wegen Verletzung der Anzeigepflicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die wiederholte Verletzung der Meldepflicht bei Arbeitsverhinderung nach fruchtlosen Abmahnungen ist in der Regel eine für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung geeignete Pflichtverletzung.

2. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit ist diese Nebenpflicht - allerdings nur für den Fall der Ersterkrankung, nicht hingegen bei Fortdauer der Erkrankung - zudem im Gesetz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG) ausdrücklich geregelt.

 

Normenkette

KSchG §§ 1-2; BGB § 307 Abs. 1 S. 2, § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 03.05.2011; Aktenzeichen 6 Ca 310/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 03. Mai 2011 - Az.: 6 Ca 310/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

- Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 27. August 2010 nicht beendet worden ist.

- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage zu den bisherigen Bedingungen als Gas- und Wasserinstallateur weiter zu beschäftigen.

- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weiteres rückständiges Arbeitsentgelt für den Monat August 2010 in Höhe von 66,72 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. September 2010 zu zahlen.

- Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01. Oktober 2010 zu zahlen.

- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

Von den Kosten erster Instanz hat der Kläger 1/7 zu tragen, die Beklagte 6/7 zu tragen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die Weiterbeschäftigung des Klägers, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, Restlohnansprüche des Klägers und einen Vertragsstrafenanspruch der Beklagten.

Die Beklagte unterhält ein Personaldienstleistungsunternehmen. Der am A geborene, verheiratete und für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger ist bei ihr seit dem 15.06.2009 auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 26.05.2009 (Bl. 17-20 d.a.) als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis sollte kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der mit der Tarifgemeinschaft CGZP geschlossene Manteltarifvertrag für die Zeitarbeitsbranche Anwendung finden. Außerdem übergab die Beklagte eine Allgemeine Betriebsordnung, Stand 22.10.2008, deren Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger mit seiner Unterschrift am 25.05.2009 bestätigte. Auf die Regelungen der Betriebsordnung, insbesondere die Vertragsstrafenabrede, wird Bezug genommen (Bl. 60-62 d.A.). Der Kläger erhielt zuletzt eine Bruttomonatsvergütung von € 1.472,94 brutto zuzüglich einer Fern-Auslösung für Aufwendungen bei auswärtigen Arbeitseinsätzen. Bis einschließlich Juni 2010 zahlte die Beklagte neben dem tariflichen Stundenlohn von € 9,25 brutto (Entgeltgruppe E 4) eine außertarifliche Zulage von € 0,25 pro Arbeitsstunde. Ab dem 1. Juli 2010 zahlte die Beklagte aufgrund einer Tariflohnerhöhung einen erhöhten Stundenlohn von € 9,56 brutto, jedoch keine übertarifliche Zulage mehr. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe für die Monate Juli und August 2010 neben dem erhöhten Stundenlohn noch die übertarifliche Zulage mit jeweils € 38,50 brutto monatlich zu.

Der Kläger war im Jahre 2010 wiederholt - an insgesamt 45 Kalendertagen - arbeitsunfähig erkrankt, nämlich vom 8.2 - 26.2., vom 13.-15.04., vom 25.5. - 11.6., vom 26. - 30.7 und vom 23.8. - 1.10.2010. Nach § 8 Abs. 2 Arbeitsvertrag ist der Kläger verpflichtet, jede Arbeitsverhinderung am ersten Tag bis spätestens 8.15 Uhr mitzuteilen, bereits am ersten Tag eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit und ihre voraussichtliche Dauer vorzulegen sowie bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit über den bescheinigten Zeitraum bis um12.00 Uhr des letzten Tag des bescheinigten Zeitraums die Fortdauer mitzuteilen und unverzüglich eine neue Bescheinigung vorzulegen.

Ab dem 13.04.2010 war der Kläger nach einer Zahnoperation für mehrere Ta-ge arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte erlangte davon erstmals am 16.04. 2010 durch Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Kenntnis. Von der erneuten Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.8.2010 machte der Kläger frühestens um 9.59 Uhr - der genaue Zeitpunkt ist streitig - Mitteilung an die Beklagte.

Die Beklagte nahm dieses Verhalten sowie die wiederholten Erkrankungen des Klägers zum Anlass, das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27.8.2010, zugegangen am 30.8.2010, ordentlich zum 30.09.2010 zu kündigen. Außerdem behielt sie wegen der verspäteten Mitteilung der Arbeit...

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