Entscheidungsstichwort (Thema)
Formularmäßige Vereinbarung der Rückzahlbarkeit einer Ausreisepauschale bei weniger als sechsmonatigem Aufenthalt im Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Klausel, nach der der Arbeitnehmer eine Ausreisepauschale anteilig zurückzahlen muss, wenn er sich nicht länger als sechs Monate im Ausland aufhält, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam anzusehen. Die Klausel ist zu weit gefasst, wenn die Rückzahlungsverpflichtung auch dann entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis infolge einer Eigenkündigung oder einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers vorzeitig beendet wird (im Anschluss an die Rspr. zu Rückzahlungsklauseln bei Fortbildungskosten).
2. Der Anwendungsausschluss in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB zugunsten von Tarifverträgen greift dann nicht ein, wenn die Tarifvertragsparteien die Regelung den Arbeitsvertragsparteien überlassen. Der Ausschluss der AGB-Kontrolle ist nur dann gerechtfertigt, falls die Tarifvertragsparteien selbst eine inhaltliche Regelung treffen.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.12.2012; Aktenzeichen 8 Ca 6562/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 2012 - 8 Ca 6562/10 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung des Beklagten zur Rückzahlung einer Ausreisepauschale, die ihm von seiner Arbeitgeberin und jetzigen Klägerin zuvor ausgezahlt worden ist.
Die Klägerin ist ein Unternehmen des Bundes und weltweit in Entwicklungshilfeprojekten tätig. Sie schloss mit dem Beklagten am 13. Oktober 2009 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, nach dem der Beklagte als Road Maintenance Procurement and Training Specialist ab dem 01. November 2009 befristet bis zum 27. Februar 2012 in A., tätig werden sollte. Auszugsweise heißt es in dem Arbeitsvertrag wie folgt:
"§ 7 ...
(2) Die Gesellschaft stellt Herrn B. die Flugtickets für die Ausreise in der Economy Class zur Verfügung und erstattet gegen Nachweis die Kosten.
(3) Zur Durchführung der Ausreise erhält Herr B. gemäß den Richtlinien für den Übersiedlungskostenersatz eine Ausreisepauschale in Höhe von 8.230,-- Euro brutto.
(4) Für den Fall, dass die Tätigkeit im Ausland - gleich aus welchem Grund - weniger als 6 Monate andauert, besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Ausreisepauschale in Höhe von insgesamt 2.015,-- Euro brutto. Etwaige bereits geleistete Zahlungen, die diesen Betrag übersteigen, sind vom Mitarbeiter zurückzuerstatten."
In dem Arbeitsvertrag findet sich unter § 10 ferner ein Verweis auf einen Manteltarifvertrag (MTV) sowie auf die bei der Gesellschaft geltenden Betriebsvereinbarungen und Richtlinien. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrags wird Bezug genommen auf Blatt 59 bis 61 d. A.
§ 21 Abs. 1 des geltenden Manteltarifvertrages bei der Klägerin lautet wie folgt:
"Übersiedlungskosten, Umzugskosten
1. Bei Auslandseinsätzen werden dem mit der Übersiedlung ins Einsatzland bzw. Rückübersiedlung aus dem Einsatzland verbundenen Aufwendungen des/der Mitarbeiters/Mitarbeiterin nach den jeweils geltenden Richtlinien der Gesellschaft abgegolten..."
Bei der Klägerin gibt es ferner eine Regelung "Richtlinien für Übersiedlungskostenersatz" vom 01. März 2009. Unter Ziffer 4.1.1 der Richtlinien heißt es:
"Bei einer Dauer der Tätigkeit im Ausland (ohne Vorbereitungszeit) von weniger als 6 Monaten beträgt unabhängig vom Heim- und Einsatzland des/der Mitarbeiter(s)/in die Ausreisepauschale Euro 2.015,- und die Heimreisepauschale Euro 1.410,-."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Richtlinien für Übersiedlungskostenersatz wird verwiesen auf Blatt 7 bis 11 d. A.
Der Beklagte trat seine Tätigkeit im Ausland am 22. November 2009 an. Zuletzt hatte er einen Wohnsitz in C.. Vor dem Hintergrund der ursprünglich geplanten Vertragslaufzeit von über zwei Jahren zahlte die Klägerin an den Beklagten mit dem Dezembergehalt 2009 eine Ausreisepauschale in Höhe von 8.230,-- Euro brutto aus.
Noch während der Probezeit kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit einem dem Kläger am 17. März 2010 zugegangenen Schreiben zum 30. April 2010 und ordnete die Heimreise zum selben Datum an. Gegen die Kündigung hat der Beklagte Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Frankfurt erhoben (8 Ca 2382/10). Die Kündigungsschutzklage blieb in erster und auch zweiter Instanz vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (10 Sa 3/11) erfolglos.
In der Folgezeit hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass dem Beklagten nur eine reduzierte Ausreisepauschale in Höhe von 2.015,-- Euro brutto zugestanden habe, da das Arbeitsverhältnis weniger als sechs Monate angedauert habe. Nach Verrechnung mit einem Anspruch des Beklagten auf Spesen in Höhe von 1.071,14 Euro sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass dem Kläger noch eine He...