Homeoffice-Zusatzvereinbarung kann gekündigt werden
Ein Software-Unternehmen beschäftigte einen Sales-Mitarbeiter. Mit diesem schloss es im November 2016 eine "Zusatzvereinbarung über Tätigkeit im Homeoffice" ab. In dieser Vereinbarung wurde geregelt, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit "im Wesentlichen" in seiner Wohnung erbringt, jedoch ebenso verpflichtet ist, nach Bedarf im Büro des Arbeitgebers tätig zu werden. Einen Anspruch auf einen dauerhaften Arbeitsplatz in den Unternehmensräumlichkeiten hatte er nicht.
Kündigung der Homeoffice-Vereinbarung wegen veränderter Voraussetzungen
Es wurde geregelt, dass die Homeoffice-Zusatzvereinbarung spätestens mit Ende des Arbeitsverhältnisses ebenfalls endet, sofern sie nicht vorher durch eine Arbeitsvertragspartei mit einer Frist von einem Monat gekündigt wird. Nachdem der Arbeitnehmer bereits seit über acht Monaten arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte der Arbeitgeber im Januar 2022 die Zusatzvereinbarung.
In dem Schreiben des Arbeitgebers hieß es, man habe den Schwerpunkt der vom Arbeitnehmer in Zukunft zu leistenden Tätigkeit in den Innendienst verlegt. Seine Aufgaben erforderten einen Zugang zum direkt neben den Büroräumen befindlichen Lager und eine nur vor Ort mögliche Kontrolle des Versands. Damit hätten sich die Voraussetzungen, die ehemals Grund für die Vereinbarung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes waren, so sehr verändert, dass eine Erbringung der Arbeitstätigkeit am Geschäftssitz des Unternehmens die einzig denkbare Fortsetzung der Tätigkeit sei.
AGB-Klausel oder ausgehandelte individuelle Vereinbarung?
Die Kündigung der Homeoffice-Zusatzvereinbarung wollte der Arbeitnehmer nicht hinnehmen. Er machte geltend, bei den Bestimmungen der Zusatzvereinbarung handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die vom Arbeitgeber vorformuliert gewesen seien. Der Kündigungsvorbehalt der Zusatzvereinbarung sei unwirksam, weil die Klausel gegen das Transparenzgebot verstoße und eine Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften darstelle. Sein Einsatz am Sitz des Arbeitgebers entspreche nicht billigem Ermessen, weil kein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Zuweisung einer Vor-Ort-Tätigkeit erkennbar sei.
Der Arbeitgeber hingegen argumentierte, bei dem Anstellungsvertrag der Parteien handele es sich um einen individuell zwischen den Parteien ausgehandelten Vertrag, der auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers zugeschnitten sei. Dessen Tätigkeit bestehe zu 80 Prozent darin, Dienstfahrten zu Kunden in Norddeutschland zu unternehmen. Es sei ihm aber krankheitsbedingt nicht mehr möglich, ein Auto zu steuern. Eine Wiederaufnahme seiner Reisetätigkeit sei nicht zu erwarten. Die daraus folgende grundlegende Umgestaltung seiner Vertriebsaufgaben habe eine starke Zunahme seiner Büropräsenzzeiten zur Folge. Daraus ergebe sich zwangsläufig eine "stark erhöhte Kommunikationsfrequenz und Kooperationsnotwendigkeit" mit anderen Mitarbeitenden. Dieser Notwendigkeit könne der Kläger am ehesten gerecht werden, wenn er ebenso in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers tätig sei wie die anderen Mitarbeitenden.
Zulässigkeit einer Kündigung bei eingeräumter Kündigungsoption
In erster Instanz folgte das zuständige Arbeitsgericht der Argumentation des Arbeitnehmers und gab der Klage statt. Vor dem LAG Hamm war jedoch die Berufung des Arbeitgebers erfolgreich.
Das Gericht räumte zwar ein, dass eine (Teil-)Kündigung, die nur einzelne Bestandteile des Arbeitsvertrages betrifft, im Grundsatz unzulässig ist, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners nicht erfolgen könne. Wenn dem Kündigenden – wie hier – das Recht zur Kündigung jedoch ausdrücklich eingeräumt werde, könne die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zulässig sein. Denn dann erfolge die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners, sondern aufgrund des vereinbarten Teilkündigungsrechts.
Kündigungsvorbehalt AGB-rechtlich nicht zu beanstanden
Der vereinbarte Kündigungsvorbehalt sei wirksam und umgehe auch keine zwingenden Kündigungsschutzbestimmungen nach dem Kündigungsschutzgesetz. Das Kündigungsschreiben tangiere nicht die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung von seiner Wohnung aus zu erbringen befugt sei. Damit sei nur eine "Erfüllungsmodalität" betroffen.
Auch sei – entgegen der Bewertung der Vorinstanz – der Kündigungsvorbehalt AGB-rechtlich nicht zu beanstanden, da dem Arbeitnehmer keine wesentliche Rechtsposition entzogen werde. So bleibe zum einen auch nach der Kündigung der Zusatzvereinbarung eine Tätigkeit im Homeoffice auf arbeitsvertraglicher Grundlage weiterhin möglich. Zum anderen wurde die Homeoffice-Möglichkeit nie für einen bestimmten Anteil der Arbeitszeit festgelegt.
Auswirkungen auf die Praxis
Auf den ersten Blick mag man nun arbeitsvertraglich vereinbarte Homeofficevereinbarungen problemlos als kündbar ansehen. Doch hier ist Vorsicht geboten. Wie so oft kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Vereinbarung an. Das LAG Hamm weist in seiner Urteilsbegründung selbst auf ein Urteil des LAG Düsseldorf (Urteil vom 10. September 2014, Az. 12 Sa 505/14) hin, bei welchem im zugrundeliegenden Fall um die Beendigung einer Vereinbarung über alternierende Telearbeit gestritten wurde. Dort war die Regelung über die Teilkündbarkeit als Widerrufsklausel anzusehen, die der Angabe von Widerrufsgründen bedurft hätte. Die Düsseldorfer Richter sahen in der vertraglichen Vereinbarung einer voraussetzungslosen und grundlosen Rückkehrmöglichkeit ohne Berücksichtigung der Arbeitnehmerinteressen eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers.
Dies zeigt, dass ein Kündigungsvorbehalt, der es dem Arbeitgeber ermöglicht, eine Homeoffice-Regelung voraussetzungslos und grundlos zu beenden, AGB-rechtlich unwirksam sein kann. Nach Möglichkeit sollten die Voraussetzungen für eine Kündigung in der Kündigungsvereinbarung genannt werden oder jedenfalls sollte die Kündigungsregelung so formuliert sein, dass sie erkennen lässt, dass bei der "Ausübung billigen Ermessens" im Sinne des § 106 Satz 1 GewO die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden.
Hinweis: LAG Hamm, Urteil vom 16. März 2023, Az. 18 Sa 832/22
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