Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung wegen des Alters. Kündigungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschrift des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB ist mit dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und dem daraus folgenden Verbot der Altersdiskriminierung nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.01.2010 (C-555/07 (Kücükdeveci)), an den die Kammer gebunden ist, nicht vereinbar. Da die Regelung einer unionskonformen Auslegung nicht zugänglich ist, ist sie unangewendet zu lassen, um die volle Wirksamkeit des Diskriminierungsverbots zu gewährleisten.
Normenkette
BGB §§ 622, 140, 622 Abs. 2 S. 2; EGRL 2000/78
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.06.2009; Aktenzeichen 2 Ca 9217/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. Juni 2009 – 2 Ca 9217/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagten) handelt es sich um ein Vertriebsunternehmen, das zuletzt noch eine Arbeitnehmerin, nämlich die Klägerin, beschäftigt hat. Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin), die am XX.XX.19XX geboren ist, war bei der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 12. September 1984 seit dem 01. Oktober 1984 als kaufmännische Angestellte und Sachbearbeiterin im Bereich des Vertriebs beschäftigt. Zu ihrem Aufgabenbereich gehörten die Buchführung und der Ausgleich von Rechnungen. Der Arbeitsvertrag, wegen dessen weiterer Regelungen auf Bl. 6 – 8 d. A. Bezug genommen wird, enthält folgende Regelungen zur Kündigungsfrist und zum Spesenersatz:
„Während der ersten 6 Monate des Beschäftigungsverhältnisses gilt einmonatige Kündigungsfrist, jeweils zum Monatsende (Probezeit). Danach kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 6 Wochen zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres schriftlich gekündigt werden.
Bei Dienstreisen richtet sich der Spesensatz nach den gesetzlichen Bestimmungen. Für Außendienst steht Ihnen ein Firmenfahrzeug zur Verfügung. Für den Fall, dass Sie Ihren privaten Pkw zu Geschäftsfahrten benutzen, gewähren wir Ihnen den jeweils gültigen steuerfreien Pauschalsatz (z. Zt. DM 0,42/km). Hiermit sind alle im Zusammenhang Ihres Fahrzeugs stehenden Kosten abgegolten.”
Das Bruttomonatsgehalt der zuletzt in Teilzeit beschäftigten Klägerin betrug EUR 1.300,00 brutto.
Bis März 2008 war der Vater der Klägerin Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten. Er hatte unter seiner Einzelfirma „A” (im Folgenden: H) im Jahr 1989 mit der Beklagten einen Mietvertrag über Hard- und Software abgeschlossen. Der Mietzins wurde per Dauerauftrag von dem bei der B eingerichteten Geschäftskonto der Beklagten an die H überwiesen. Der Vater der Klägerin hatte ferner als Geschäftsführer der Beklagten für diese ab 01. Juli 2007 bei Herrn C (G) für die Zeit ab 07. Juli 2007 einen Lagerraum gemietet. Der Mietzins betrug zunächst EUR 150,00 zuzüglich MWSt., ab 01. November 2007 EUR 100,00 zuzüglich MWSt. Der Vater der Klägerin hatte darüber hinaus der Beklagten ein Darlehen über EUR 9.000,00 gewährt, für das die Beklagte an die H Zinsen zahlte. Zudem hatte er sich gegenüber Banken für Forderungen gegen die Beklagte selbstschuldnerisch verbürgt. Am 19. März 2008 schlossen der Vater der Klägerin und der jetzige Geschäftsführer der Beklagten einen notariell beurkundeten Kauf- und Abtretungsvertrag, mit dem der Vater der Klägerin dem jetzigen Geschäftsführer die Geschäftsanteile an der Beklagten verkaufte und unter der Bedingung übertrug, dass eine Erklärung der D vorgelegt werde, nach welcher der Vater der Klägerin aus allen Bürgschaften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft umfassend entlassen sei und bestehende Sicherheiten an ihn freigegeben würden. Am 19. März 2008 fand eine Gesellschafterversammlung statt, in welcher der Vater der Klägerin mit Wirkung zum 31. März 2008 als Geschäftsführer abbestellt und der jetzige Geschäftsführer E zum Geschäftsführer ab 01. April 2008 bestellt wurde. Der Vater der Klägerin sollte zunächst die Geschäfte fortführen. In der Folgezeit kam es jedoch zu einem Zerwürfnis zwischen dem Vater der Klägerin und dem neuen Geschäftsführer. Anfang Juni 2008 stellte der Geschäftsführer der Beklagten der Klägerin Herrn F als „Mitarbeiter ohne Arbeitsvertrag” vor und teilte mit, dieser solle ab 01. Januar 2009 die Geschäftsführung übernehmen. Am 20. Juni 2008 erteilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Vater der Klägerin Hausverbot. Kurze Zeit danach führte der Geschäftsführer der Beklagten mit der Klägerin ein Gespräch über Loyalität. Die Klägerin erklärte in diesem Gespräch, mit der Loyalität gegenüber der Beklagten keine Schwierigkeiten zu haben und mit den Auseinandersetzungen zwischen der Beklagten und ihrem Vater nichts zu tun haben ...