Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Kündigungsfrist für Arbeitnehmer ab dem 25. Lebensjahr. Unwirksame außerordentliche Kündigung wegen fehlender Abmahnung
Leitsatz (amtlich)
Unwirksame außerordentliche Kündigung einer Arbeitnehmerin außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes. Die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB gelten auch für Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres, für eine Differenzierung liegt kein legitimes Ziel im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG (juris: EGRL 78/2000) des Rates vom 27.11.2000 vor (Anschluss an LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 28.05.2008 – 3 Sa 31/08 – juris und LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.7.2007 – 7 Sa 561/07 juris).
Normenkette
EGRL 78/2000 Art. 6; BGB § 314 Abs. 2, § 622 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.09.2008; Aktenzeichen 17 Ca 2168/08) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 AZR 815/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 10.09.2008, Az. 17 Ca 2168/08 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor zu Ziffer 1 des erstinstanzlichen Urteils wie folgt neu gefasst wird:
1a) Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.03.2008 jedenfalls nicht vor dem 30.04.2008 geendet hat.
1b) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bis zum 31.05.2008 fortbestanden hat.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagte zu Ziffer 1b) des Urteilstenors zugelassen, im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung sowie über sich daraus ergebende Zahlungsansprüche.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Klägerin) war zum Zeitpunkt der Kündigung 26 Jahre alt und ist seit dem 01. Dezember 2001 bei der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) als Zahnarzthelferin zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 1.800,00 beschäftigt. Die Klägerin bezog des Weiteren ein Weihnachtsgeld in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts, ferner zahlte die Beklagte monatliche Provision in Höhe von mindestens EUR 50,00 brutto. Hinsichtlich der Vertragsbedingungen wird auf den Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages (Anlage K 1 / Bl. 13 f. d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 13. März 2008, das der Klägerin am selben Tage zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin. Gegen die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 01. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 17. April 2008 zugestellten Klage. Des Weiteren macht sie restliche Zahlungsansprüche für den Zeitraum März und April 2008 geltend, und zwar in Höhe von EUR 1.850,00 brutto abzüglich der an die Klägerin für den Monat März ausgezahlten EUR 626,04 netto sowie weitere EUR 801,67 brutto für den Zeitraum 01. bis 13. April 2008. Ab dem 14. April 2008 hat die Klägerin eine neue Arbeitsstelle angetreten. Ferner begehrt sie die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses.
Anlass für die außerordentliche Kündigung der Beklagten war der gegenüber der Klägerin erhobene Vorwurf, sie habe von Patienten genommene Zahnabdrücke nachträglich bearbeitet. Unstreitig ist dies im Hinblick auf den Patienten V., als sie beim Abspülen des Abdrucks am Präparationsrand eine Luftblase bemerkte und diese unter Verwendung von Abdruckmaterial nachbesserte. Streitig ist, ob dies auch in weiteren Fällen geschehen ist.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie die erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 10. September 2008 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage voll umfänglich stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 13. März 2008 nicht beendet wurde, sondern bis zum 31. Mai 2008 fortbestanden hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten gegen den ultima-ratio-Grundsatz verstoßen habe, da die Klägerin – was unstreitig ist – nicht abgemahnt worden ist. Ferner hat das Arbeitsgericht den Zahlungsansprüchen stattgegeben sowie die Beklagte zur Erteilung eines Zeugnisses verurteilt. Zur Kündigungsfrist hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Kündigungsfrist zwei Monate zum Monatsende betrage, da § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen Nichtberücksichtigung von Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorschriften nicht anzuwenden sei.
Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 07. November 2008 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit Schriftsatz, der am 04. Dezember 2008 beim Hessischen L...