Entscheidungsstichwort (Thema)
Probezeitvereinbarung. Zu kurze Kündigungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung einer kürzeren als nach § 622 Abs. 3 BGB zulässigen Kündigungsfrist im Arbeitsvertrag führt auch im Wege der Inhaltskontrolle nach § 306 BGB nicht zur Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung insgesamt.
Normenkette
BGB §§ 306, 622 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 12.05.2010; Aktenzeichen 4 Ca 6/10) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 12. Mai 2010 – 4 Ca 6/10 – teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.12.2009 am 04.01.2010 geendet hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 80%, und die Beklagte zu 20% zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die maßgebliche Kündigungsfrist und damit über den Zeitpunkt, an dem ihr Arbeitsverhältnis geendet hat.
Die Beklagte, die ihren Sitz in A hat, betreibt ein Transportgeschäft. Der Kläger war bei ihr auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 20.07.2009 (Bl. 9 – 12 d. A.) seit dem 20.07.2009 am Standort B als Kraftfahrer beschäftigt. Er erhielt für seine Tätigkeit einen Bruttomonatslohn in Höhe von EUR 2.250,00.
Der Arbeitsvertrag enthielt in § 4 folgende Vereinbarung: „Die ersten 6 Monate der Tätigkeit gelten als Probezeit. Während der Probezeit können beide Teile das Arbeitsverhältnis jederzeit mit einer siebentägigen Frist kündigen”.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 21.12.2009 – zugegangen am selben Tag – zum 29.12.2009. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass auf jeden Fall die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist gesetzlich nicht zulässig ist und das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 4.01.2010 wirksam beendet werden konnte. Der Kläger hat darüber hinaus die Ansicht vertreten, dass als Ergebnis einer Inhaltskontrolle der Vertragsklausel die Probezeitvereinbarung unwirksam sei und infolgedessen das Arbeitsverhältnis erst zum Ablauf der allgemeinen gesetzlichen Kündigungsfrist am 31.01.2010 geendet habe.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Offenbach vom 12.05.2010 Bezug genommen (Bl. 47 – 47R d. A.).
Das Arbeitsgericht hat mit seinem Urteil vom 12.05.2010 – 4 Ca 6/10 – die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die vertragliche Vereinbarung einer einwöchigen Kündigungsfrist zwar unwirksam sei, dass jedoch eine Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff BGB nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Probezeitvereinbarung führe. Da sie mehrere sachliche Regelungen enthalte, handele sich nämlich um eine teilbare Klausel, bei der der unzulässige Teil – nach einem blue-pencil-Test – sprachlich eindeutig abtrennbar sei. Die Vereinbarung der Probezeit an sich bleibe auch ohne die Vereinbarung einer Kündigungsfrist verständlich und vollziehbar. Mit diesem Ergebnis werde das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht umgangen; denn die selbständige Vereinbarung einer Probezeit ohne Vereinbarung einer Kündigungsfrist sei durchaus üblich, die Regelung der Kündigungsfrist in einem separaten Satz führe nicht zu einer künstlichen Aufspaltung eines notwendigerweise einheitlich zu regelnden Sachverhalts. Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 47R – 49 d. A.)
Der Kläger hat gegen das ihm am 28.05.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am 22.06.2010 Berufung eingelegt und diese am 21.7.2010 begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzlich bereits vorgetragene Rechtsansicht, dass die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vereinbarten siebentätigen Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der gesamten Probezeitvereinbarung führe. Der Erprobungszweck und die Möglichkeit der Beendigung innerhalb von zwei Wochen stünden gleichrangig nebeneinander. Beide seien deshalb notwendige Voraussetzung für die Wirksamkeit der Probezeitvereinbarung. Das folge aus dem Willen des Gesetzgebers bei Einführung des § 622 BGB in seiner jetzigen Fassung. Zweck der Probezeit sei danach, den Parteien in einer überschaubaren ersten Zeit die Möglichkeit zu geben, die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers bzw. die Leistungsbedingungen zu erproben und bei negativem Ausgang das Arbeitsverhältnis relativ kurzfristig beenden zu können. Die Zulässigkeit der Kündigung mit einer kürzeren Kündigungsfrist während der Probezeit sollte dabei einen Ausgleich zur Verlängerung der Grundkündigungsfrist schaffen. Die daher als einheitlich zu betrachtende Klausel benachteilige den Kläger in unangemessener Weise, da sie die gesetzlich geregelte und einzelvertraglich nicht abdingbare Kündigungsfrist unterschreite. Die Annahme einer Unwirksamkeit nur der vereinbarten Kündigungsfrist führe zu einer ...