Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Qualifikationsgruppeneinstufung eines Kraftfahrers. ehemalige Sowjetunion. berufliche Qualifikation
Orientierungssatz
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl BSG vom 14.5.2003 - B 4 RA 26/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr 1, BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 61/02 R = SozR 4-2600 § 256b Nr 2 und BSG vom 12.11.2003 - B 8 KN 2/03 R = SozR 4-5050 § 22 Nr 3) ist im Rahmen der Bestimmung der maßgeblichen Qualifikationsgruppe auszugehen von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems.
2. Zur Einstufung eines Kraftfahrers, der in der ehemaligen Sowjetunion tätig war, in Leistungs- bzw Qualifikationsgruppen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 3. September 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger 2/3 der Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) um die Qualifikationsgruppeneinstufung der vom Kläger in Russland zurückgelegten Beitragszeiten sowie um die Berechnung der dem Kläger zu gewährenden Erwerbsminderungsrente. Umstritten ist dabei insbesondere (noch) die Einstufung der vom Kläger in der Zeit vom 12. Oktober 1977 bis zum 30. September 1983 in Russland ausgeübten Tätigkeit in die Qualifikationsgruppe 4 nach der Anlage 13 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Der 1953 in C. (Russland) geborene Kläger kam am 21. April 1997 als anerkannter Spätaussiedler im Sinne von § 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) nach Deutschland. Den Eintragungen in seinem (am 21. Juni 1971 ausgestellten) russischen Arbeitsbuch zufolge war der Kläger im Herkunftsgebiet wie folgt beschäftigt:
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19.06.1971 bis 24.02.1972 |
Gas-Elektro-Schweißerlehrling |
D. Forstindustriebetrieb |
25.02.1972 bis 27.04.1972 |
Kraftfahrer |
D. Forstindustriebetrieb |
06.05.1972 bis 19.06.1974 |
Wehrdienst |
Sowjetarmee |
23.07.1974 bis 19.11.1974 |
Kraftfahrer |
E. Forstindustriebetrieb |
20.11.1974 bis 31.03.1976 |
Kraftfahrer |
D. Mechanisierte |
Baukolonne |
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01.04.1976 bis 30.06.1976 |
Kraftfahrer |
D. Bezirks-Dienstleistungskombinat |
01.07.1976 bis 11.10.1977 |
Kraftfahrer |
Produktionsvereinigung "F. Möbel" bzw. Kraftverkehrsbetrieb der Regionalen Verwaltung der Dienstleistungsbetriebe |
12.10.1977 bis 21.10.1992 |
Busfahrer |
D. Kombinat der kommunalen Betriebe bzw. Betriebsverwaltung der kommunalen Wohnungswirtschaft |
01.11.1992 bis 03.01.1996 |
Kraftfahrer |
Feuerwehrabteilung 35 bzw. 61 |
09.01.1996 bis 14.04.1997 |
Kraftfahrer |
D. Reparatur- und Bauabschnitt |
Die vom Kläger in Russland zurückgelegten Zeiten wurden im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung übernommen. Im entsprechenden Fragebogen gab der Kläger unter dem 23. April 1999 an, dass er keine Lehre oder Berufsausbildung mit besonderer Qualität absolviert habe. Die Beklagte ordnete die gesamten Fremdrentenzeiten durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 24. Juni 1999 der Qualifikationsgruppe 5 nach der Anlage 13 zum SGB VI zu.
Auf entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte dem Kläger schließlich durch Bescheid vom 11. Mai 2005 für die Zeit ab 1. November 2004 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Nach Erhalt dieses Bescheides stellte der Kläger am 19. Mai 2005 den hier maßgeblichen Überprüfungsantrag und machte unter anderem geltend, dass die Fremdrentenzeiten mit den falschen Bruttoarbeitsentgelten berücksichtigt worden seien. Da er über eine abgeschlossene Ausbildung als Kraftfahrer verfüge und durchgängig als Kraftfahrer mit Facharbeiterstatus tätig gewesen sei, seien die in Russland zurückgelegten Beschäftigungszeiten richtigerweise der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Der Kläger legte eine von ihm selbst verfasste Schilderung seines üblichen Arbeitsablaufs vom 19. September 2005 (Bl. 101 RA) und beglaubigte Übersetzungen seiner russischen Fahrerlaubnis (Bl. 102 RA), seiner persönlichen Kraftfahrer-Karte (Bl. 103 RA), seines Zeugnisses über den Erwerb der Qualifikation eines Kraftfahrers der Klasse 3 vom 16. Februar 1972 (Bl. 105 RA), seines Zeugnisses über den Erwerb der Qualifikation eines Kraftfahrers der Klasse 1 vom 25. Oktober 1977 (Bl. 106 RA) sowie seines Zeugnisses über den Erwerb der Qualifikation eines Kraftfahrers der Kategorie E vom 24. Februar 1989 (Bl. 104 RA) vor.
Die Beklagte nahm daraufhin gemäß § 44 SGB X mit Wirkung ab 1. November 2004 durch Bescheid vom 14. Dezember 2005 unter geänderter, fortan nicht mehr streitiger Zuordnung der Fremdrentenzeiten des Klägers zu einem anderen Wirtschaftbereich eine Neufeststellung der Erwerbsminderungsre...