Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung. Kündigung trotz tariflicher Unkündbarkeit. Zulässigkeit einer fristgebundenen Kündigung aus wichtigem Grund. Wegfall des Arbeitsplatzes nach Fremdvergabe von Reinigungstätigkeiten. nachträgliche Bewilligung von Arbeitslosengeld für den streitgegenständlichen Zeitraum trotz zwischenzeitlicher Anspruchserschöpfung. kein Erlöschen der Leistung wegen Erfüllung
Orientierungssatz
1. Bei ordentlicher Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers ruht sein Arbeitslosengeldanspruch bei Erhalt einer Entlassungsentschädigung gem § 143a Abs 1 S 1, Abs 1 S 3 Nr 2 SGB 3 nur für die Dauer der eigentlichen ordentlichen Kündigungsfrist, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner Unternehmerentscheidung aus Kostengründen Reinigungstätigkeiten an ein selbstständiges privates Fremdunternehmen vergeben hat, der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers entfallen ist, kein anderer Arbeitsplatz für eine Weiterbeschäftigung zur Verfügung stand und daher die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorgelegen haben.
2. Die Gewährung von Arbeitslosengeld ist an einen konkreten Leistungs- bzw Bewilligungszeitraum gebunden. Ist der Ruhenszeitraum nach § 143a SGB 3 rechtswidrig zu lang festgesetzt worden, so ist Arbeitslosengeld auch dann für den streitgegenständlichen Zeitraum nachzuzahlen, wenn die Anspruchsdauer zwischenzeitlich bereits vollständig ausgeschöpft wurde. Eine Leistungserbringung für spätere Zeiträume führt nicht zur Erfüllung des Anspruchs analog § 362 BGB.
Normenkette
SGB III a.F. § 143a Abs. 1 S. 3 Nr. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 26. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld wegen einer erhaltenen Entlassungsentschädigung für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 22. Mai 2008 geruht hat.
Die 1955 geborene Klägerin war vom 15. Juni 1988 bis 31. Dezember 2007 bei der K... Sparkasse als Reinigungskraft beschäftigt. Sie ging in der Filiale H... einer Teilzeitbeschäftigung von zuletzt 23,40 Stunden wöchentlich nach. Wegen der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und ihres Lebensalters (über 15 Jahre Betriebszugehörigkeit und Lebensalter über 40 Jahre) war die Klägerin nach dem einschlägigen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für Sparkassen (TVöD-S) gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-S durch den Arbeitgeber ordentlich unkündbar. Die ordentliche Kündigung hätte im Übrigen 6 Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 TVöD-S betragen.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2007 sprach die Arbeitgeberin der Klägerin der Klägerin wegen der Ausgliederung des Reinigungsdienstes die Kündigung zum 31. Dezember 2007 aus. Die daraufhin von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Kassel (Az.: 5 Ca 229/07) vom 13. Juni 2007 endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich in der Güteverhandlung vom 29. Juni 2007, in dem die Klägerin mit ihrer früheren Arbeitgeberin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2007 vereinbarte und zur Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes von der Arbeitgeberin eine Abfindung in Höhe von 20.000,00 Euro erhielt. Am 24. September 2007 meldete sich die Klägerin daraufhin zum 1. Januar 2008 persönlich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld erst ab dem 23. Mai 2008 für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen nach einem täglichen Arbeitsentgelt von 41,83 Euro in der Lohnsteuerklasse 5 zum allgemeinen Leistungssatz. Mit weiterem Bescheid vom 16. Januar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Arbeitslosengeldanspruch bei Annahme einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten gemäß § 143 a SGB III bis zum 22. Mai 2008 ruhe, da die ordentliche Kündigung der Klägerin tarifvertraglich ausgeschlossen gewesen sei. Die Berechnung des Ruhenszeitraums bei der erhaltenen Entlassungsentschädigung von 20.000,00 Euro führe zu einem Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches vom 1. Januar 2008 bis einschließlich 22. Mai 2008. Mit ihrem Widerspruch vom 30. Januar 2008 machte die Klägerin geltend, die Arbeitgeberin sei sehr wohl zur Kündigung berechtigt gewesen, da eine Teilbetriebsstilllegung hinsichtlich der Reinigungsabteilung vorliege. Dies begründe ein Sonderkündigungsrecht für die frühere Arbeitgeberin.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Auffassung der Klägerin, dass von einer Teilbetriebsstilllegung mit Sonderkündigungsrecht auszugehen sei, werde nicht geteilt, denn der Betriebsteil, welcher nach Auffassung der Arbeitgeberin u...