Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Qualitätsprüfung. Kürzung der Pflegevergütung nach § 115 Abs 3 S 1 SGB 11 aF. Schiedsstelle. Schiedsspruch. gerichtlicher Kontrollmaßstab. Pflichtverletzung. Höhe des Kürzungsbetrags. Auslegung einer Leistungs- und Qualitätsvereinbarung mit Bestimmungen über die Zahl der bereitzustellenden Vollzeitkräfte im Pflegebereich
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung in § 115 Abs 3 aF SGB 11 zum Kürzungsbetrag verbindet subordinationsrechtliche Handlungsformen (Eingriffsbefugnisse) mit (kollektiv-)vertragsrechtlichen Steuerungsinstrumenten. Deshalb gilt für die gerichtliche Kontrolle eines Schiedsspruchs zum Kürzungsbetrag hinsichtlich der Frage, ob eine Pflichtverletzung des Pflegeheimes vorliegt, der normale gerichtliche Kontrollmaßstab. Hinsichtlich der Frage der Angemessenheit der Höhe des festgesetzten Kürzungsbetrags besteht hingegen eine Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle, wie bei der gerichtlichen Kontrolle von Schiedssprüchen zur leistungsgerechten Vergütung.
2. Zur Auslegung einer Leistungs- und Qualitätsvereinbarung mit Bestimmungen über die Zahl der bereitzustellenden Vollzeitkräfte im Pflegebereich.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 178.152,98 € festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist ein Schiedsspruch der beklagten Hessischen Schiedsstelle gemäß § 76 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) über die Festsetzung eines Kürzungsbetrags nach § 115 Abs. 3 SGB XI wegen einer Pflichtverletzung.
Die Klägerin betreibt die im August 2004 eröffnete stationäre Pflegeinrichtung Seniorenpark X. in A-Stadt mit ca. 150 Betten. Für dieses Pflegeheim besteht ein Versorgungsvertrag im Sinne des § 72 SGB XI, wonach sich Art, Inhalt und Umfang der Vergütung der Pflegeleistungen nach den Vorschriften das Achten Kapitels des SGB XI richten. Diesbezüglich gibt § 85 Abs. 1 SGB XI vor, dass Art, Höhe und Laufzeit der Pflegesätze zwischen dem Träger des Pflegeheimes und den Leistungsträgern, d. h. den Pflegekassen, den für die Bewohner des Pflegeheimes zuständigen Trägern der Sozialhilfe sowie den Arbeitsgemeinschaften der genannten Träger zu vereinbaren sind (§ 85 Abs. 2 SGB XI). Die Verfahrensbeteiligten sind Vertragsparteien i. S. d. § 85 Abs. 2 SGB XI.
§ 80 a SGB XI sah in der bis zum 30.06.2008 geltenden Fassung - die Norm wurde sodann außer Kraft gesetzt, wobei ihr Regelungsgehalt weitgehend in § 84 Abs. 5 und 6 SGB XI übernommen wurde - vor, dass der Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung den Nachweis einer wirksamen Leistungs- und Qualitätsvereinbarung voraussetzt. Gemäß Abs. 2 dieser Norm waren in der Leistung- und Qualitätsvereinbarung (LQV) die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale festzulegen, zu denen insbesondere auch die personelle und sächliche Ausstattung des Pflegeheimes einschließlich der Qualifikation der Mitarbeiter gehörten. § 80 a Abs. 4 SGB SGB XI bestimmte, dass der Träger des Pflegeheimes verpflichtet ist, mit dem in der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung als notwendig anerkannten Personal die Versorgung der Heimbewohner jederzeit sicherzustellen.
Die Vertragsparteien (Klägerin und Beigeladene) hatten am 30.08.2004 eine Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV) für die Zeit vom 02.08.2004 bis 31.07.2005 abgeschlossen, die unter § 5 vorsah, dass die Einrichtung der Klägerin 56,39 Vollzeitstellen (VK) mit dem Qualitätsprofil examinierte Pflegekräfte sowie Pflegehilfskräfte sowie Mitarbeiter im Bereich der Sozialen Betreuung bereitzustellen habe. Gemäß § 7 dieser Vereinbarung sollte diese Vereinbarung nach Ablauf des vereinbarten Geltungszeitraums bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung weiter gelten.
Zum Abschluss einer neuen Vereinbarung kam es nicht. Hierauf hatte die seinerzeit angerufene beklagte Schiedsstelle mit Beschluss vom 29.08.2006 (Az.: xxxxx (LQV)) für den Zeitraum 01.04.2006 bis 31.03.2007 folgendes festgesetzt: Der vereinbarte Personalschlüssel im Pflege- und Betreuungsdienst beträgt 1 : 3,54 bezogen auf eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Die Anzahl der Vollzeitstellen beträgt 52,69 VK bei einer PKZ (Pflegekennziffer) von 1,27 und einer erwarteten durchschnittlichen Belegung von 147 Plätzen. Mit weiterem Schiedsspruch vom 16.10.2006 (Az.: yyyyy (PS)) setzte die Schiedsstelle für den Zeitraum 01.11.2006 bis 31.10.2007 die Pflegesätze für die Einrichtung der Klägerin wie folgt fest: Pflegestufe I 40,13 €, Pflegestufe II 56,19 €, Pflegestufe III 72,24 €, Entgelt für U / V (Unterbringung und Verpflegung) 16,75 €. In der Begründung dieses Schiedsspruchs heißt es, auf Grund der erklärten Übereinstimmung zum Laufzeitbeginn der Entgelte sei gleichsam Konsens zu unterstellen, den Beginn der durch Schiedsspruch vom 29.08.2006 wirksam geworden LQV einvernehmlich auf den 01.11.2006 abzuändern.
Im Auftrag ...