2.1 Begriffsdefinition "Zulässigkeit"
Leistungen des Arbeitgebers für eine Beschäftigung werden nur dann i. S. d. § 8 Abs. 4 EStG "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht", wenn
- die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
- der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
- die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
- bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.
Die Begünstigung greift also nicht, wenn:
- eine Prämie gezahlt wird und im Gegenzug der Monatslohn oder sonstige Prämien oder Sonderzahlungen herabgesetzt werden oder
- durch die Prämie Boni, Sonderzahlungen oder sonstige schon geschuldete Gehaltsbestandteile "ersatzweise" erfüllt werden sollen.
- Der Arbeitslohn vorübergehend gemindert wird und nach Wegfall der Inflationsausgleichsprämie wieder erhöht wird.
Das heißt: Es muss sich um eine echte Zusatzleistung handeln, die "on top" gewährt wird. Leistungen sind nicht nach § 3 Nr. 11c EStG begünstigt, wenn der Arbeitnehmer bereits einen Anspruch auf Sie hat – etwa individualvertraglich vereinbart, aus einer Betriebsvereinbarung, aus betrieblicher Übung, einer Gesamtzusage oder einem Tarifvertrag.
2.2 Zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise
An den Zusammenhang zwischen Prämie und Preissteigerung werden keine besonderen Anforderungen gestellt. Wie stark Empfänger der Prämie individuell von Preissteigerungen betroffen sind, ist damit nicht relevant.
2.3 Umwandlung/Umwidmung
Wie eingangs dargestellt, können Zahlungen, auf die Arbeitnehmer bereits einen Anspruch haben, nicht in eine Inflationsprämie umgewandelt oder umgewidmet werden. Derartige Zahlungen würden nicht zusätzlich, sondern ersatzweise gezahlt. Damit scheiden praktisch alle schon im Arbeitsvertrag, in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen vereinbarten Leistungen als Inflationsausgleichsprämie aus. Eine betriebsübliche oder gar bereits vereinbarte Gehaltserhöhung kann somit ebenfalls nicht "als Inflationsausgleichsprämie" begünstigt ausgezahlt werden.
Ist hingegen bei wiederkehrenden Leistungen (z. B. Weihnachtsgeld/Sonderzahlungen/Bonus) kein Rechtsspruch entstanden, etwa weil die Voraussetzungen für eine betriebliche Übung nicht vorlagen oder wirksame Freiwilligkeitsvorbehalte bestehen, und soll diese Leistungen nun im Zuge der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie entfallen, dürfte das Zusätzlichkeitserfordernis erfüllt sein. Da kein Leistungsanspruch existiert, wird die Inflationsausgleichsprämie hier nicht "anstatt" einer Sonderzahlung gezahlt. Gerade in Krisenzeiten ist es nicht unüblich, dass Unternehmen langjährig gewährte Zahlungen nicht auszahlen oder vermindern, sodass eine derartige Handhabung nicht zwingend rechtsmissbräuchlich wäre.
Nachweis über fehlenden Anspruch
Während bei schriftlichen Rechtsgrundlagen wie Arbeitsverträgen, Zusatzvereinbarungen, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträgen und schriftlichen Gesamtzusagen in der Regel keine Zweifel bestehen, ob ein Rechtsanspruch gegeben ist, ist dies bei der betrieblichen Übung und der mündlichen Gesamtzusage nicht der Fall. Soll eine betriebliche Übung/mündliche Gesamtzusage trotz langjähriger Durchführung gerade mit Blick auf die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie einmalig eingestellt werden, ist dies zwar grundsätzlich möglich. um Rückfragen oder Zweifeln der Steuerbehörden vorzubeugen, sollte eine Dokumentation vorgehalten werden, die den fehlenden Rechtsanspruch belegt.
Die Inflationsausgleichsprämie darf außerdem nicht im Wege einer Entgeltumwandlung finanziert werden.
2.4 Zahlungen in der Vergangenheit
Bereits vor dem 26.10.2022 geleistete Zahlungen sind per se nicht begünstigt.
- Auch können Zahlungen nach dem 26.10.2022 die aus anderen (Rechts)Gründen bereits geleistet wurden, nicht im Nachhinein rückwirkend in eine Inflationsausgleichsprämie umgewidmet und damit steuerfrei/abgabenfrei werden. Auch hier fehlt es am Merkmal der Zusätzlichkeit.
Auskunft beim Finanzamt
Sollen Rechtsunsicherheiten dahingehend, ob das Zusätzlichkeitserfordernis erfüllt ist, gänzlich vermieden werden, können Unternehmen eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt erlangen: Nach § 42 e EStG hat das zuständige Finanzamt auf Anfrage des Unternehmens darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im konkreten Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind (sog. Anrufungsauskunft). Dieses – gebührenfreie – Verfahren bietet sich insbesondere bei großen Prämienvolumina und signifikanten Rechtsunsicherheiten an.