Zusammenfassung
Der Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat darüber, ob und wie eine vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung durchgeführt wird. Der Abschluss der Interessenausgleichsverhandlungen ist Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber die geplante Betriebsänderung durchführen darf. Der Interessenausgleich wird zwar ggf. vor der Einigungsstelle verhandelt, kann aber nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle erzwungen werden.
Der Interessenausgleich und das Verfahren seiner Verhandlung ist in § 112 Abs. 1 bis 4 BetrVG geregelt. Er steht in engem Zusammenhang mit der in § 111 BetrVG geregelten Betriebsänderung und dem in § 113 BetrVG geregelten Nachteilsausgleich. Enthält ein Interessenausgleich eine namentliche Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer, ist § 1 Abs. 5 KSchG zu beachten. In der Insolvenz des Unternehmens gilt § 125 InsO.
Arbeitsrecht
1 Inhalt
Der Interessenausgleich ist in § 112 BetrVG geregelt. Sein Inhalt ergibt sich aus § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Er ist eine Vereinbarung über die vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung. Er beschreibt die geplante Betriebsänderung und regelt konkret, ob, wann und wie sie durchgeführt wird und wie sie sich auf die Arbeitnehmer und die Arbeitsplätze auswirkt. Der Inhalt eines Interessenausgleichs kann – je nach geplanter Betriebsänderung – vielfältig sein. Er kann alles zum Inhalt haben, was nicht Gegenstand des Sozialplans zu sein hat, also alle Regelungen umfassen, außer dem Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern entstanden sind.
Er beschreibt zunächst die geplante Maßnahme möglichst konkret einschließlich ihrer Auswirkung für die Arbeitnehmer, z. B.
- Stilllegung des Betriebes in verschiedenen Schritten unter genauer Bezeichnung des Datums,
- Massenentlassungen unter Darstellung, welche Bereiche des Betriebes davon in welchem Umfang betroffen sind und dem Schicksal der dort beschäftigten Arbeitnehmer,
- Verlagerung des Betriebes und die Abwicklung im Einzelnen einschließlich der Maßnahmen, die gegenüber den betroffenen Arbeitnehmer geplant sind,
- Maßnahmen zur Vermeidung von Nachteilen für die betroffenen Arbeitnehmer, z. B. Versetzungsangebote.
Eine Besonderheit stellt der Interessenausgleich dar, der die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich benennt (Interessenausgleich mit Namensliste). Er entfaltet im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 5 KSchG eine besondere Rechtswirkung zugunsten des Arbeitgebers, indem er die Beweislast für das Nichtvorliegen von betriebsbedingten Kündigungsgründen dem Arbeitnehmer auferlegt und den Prüfungsmaßstab für die Sozialauswahl auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt.
Der Interessenausgleich ist vom – ebenfalls in § 112 Abs. 1 BetrVG geregelten Sozialplan zu unterscheiden. Der Sozialplan regelt, wie die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstandenen Nachteile ausgeglichen werden sollen und räumt den Arbeitnehmern Rechtsansprüche ein, während der Interessenausgleich lediglich die Maßnahme und ihre Folgen beschreibend darstellt.
2 Voraussetzungen
Ein Interessenausgleich ist über eine geplante Betriebsänderung zu verhandeln. § 112 Abs. 1 BetrVG knüpft an die in § 111 BetrVG geregelte Betriebsänderung an. Nur dann, wenn eine vom Arbeitgeber geplante Maßnahme eine Betriebsänderung im Sinne dieser Vorschrift darstellt, ist auch über einen Interessenausgleich zur verhandeln. Voraussetzung für die Pflicht, Interessenausgleichsverhandlungen zu führen ist, dass im Unternehmen – nicht im Betrieb – mindestens 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Bei der Ermittlung der maßgeblichen Unternehmensgröße in § 111 Satz 1 BetrVG sind Leiharbeitnehmer, die länger als 3 Monate im Unternehmen eingesetzt sind, mitzuzählen. Die Frage, ob daneben ggf. auch ein Sozialplan zu vereinbaren ist, ist von der Frage, ob ein Interessenausgleich zu verhandeln ist, getrennt zu beurteilen. In den meisten Fällen ist dies jedoch so.
Weitere Voraussetzung ist, dass im Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung, welche die Betriebsänderung darstellt, bereits ein Betriebsrat gebildet ist. Wird der Betriebsrat erst nach der Entscheidung über die Betriebsänderung gewählt, entfallen die Rechte des Betriebsrats und damit auch die Notwendigkeit, einen Interessenausgleich zu verhandeln.
Zuständiger Betriebsrat für die Verhandlungen über den Interessenausgleich ist regelmäßig der örtliche Betriebsrat. Wenn die geplante Betriebsänderung jedoch mehrere Betriebe betrifft und insbesondere Maßnahmen beinhaltet, die einer betriebsübergreifenden Regelung bedürfen (z. B. die Verschmelzung von mehreren Betrieben), ist der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig. Die Zuständigkeit für den Sozialplan verbleibt aber beim örtlichen Betriebsrat, wenn er nicht die Interessenausgleichsverhandlungen auf den Gesamtbetriebsrat delegiert.
Neben dem Versuch eines Interessenausgleichs ist bei Massenentlassungen das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige nach ...