Rechtsgrundlage
SGB VI § 274
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 274 in der bis zum 31.7.2004 geltenden Fassung ist gemäß Art. 85 Abs. 1 RRG 1992 v. 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261) mit Wirkung zum 1.1.1992 in Kraft getreten. Die Vorschrift regelte Besonderheiten für die Durchführung der freiwilligen Versicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung für Versicherte, die bis zum 31.12.1967 vom Recht der Selbstversicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung Gebrauch gemacht hatten. § 274 a. F. wurde durch Art. 1 Nr. 59, Art. 15 Abs. 1 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1791) mit Wirkung zum 1.8.2004 wegen Zeitablaufs aufgehoben.
Durch Art. 5 des Gesetzes zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in Europa und zur Änderung anderer Gesetze v. 22.6.2011 (BGBl. I S. 1202) wurde die Vorschrift in der derzeitigen Fassung mit Wirkung zum 29.6.2011 eingefügt.
Eine Neufassung der Überschrift der Vorschrift erfolgte durch Art. 125 Nr. 11 des Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU) v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626) mit Wirkung zum 26.11.2019.
1 Allgemeines
Rz. 2
Gemäß § 3 Nr. 1 SGB IV gelten die Vorschriften des Sozialgesetzbuches über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung grundsätzlich für Personen, die eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches ausüben (sog. Territorialitätsprinzip). Abweichend von diesem Grundsatz regelt § 5 Abs. 1 SGB IV, dass Personen, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereichs des Sozialgesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend (zeitlich befristet) in diesen Geltungsbereich entsandt werden, nicht von den deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung erfasst werden (sog. Einstrahlung). Dies gilt gemäß § 5 Abs. 2 SGB IV auch für Personen, die zeitlich befristet eine selbständige Tätigkeit im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs ausüben. Darüber hinaus gelten die deutschen Rechtsvorschriften auch nicht für Personen, für die nach zwischen- oder überstaatlichem Recht etwas anderes bestimmt ist (§ 6 SGB IV, Vorbehalt abweichender Regelungen).
§ 274 wurde als Folge der Neuordnung des Rechts der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Europäischen Union erforderlich. Die Vorschrift korrespondiert mit § 150 Abs. 3 Satz 1, der regelt, welche Daten von der Datenstelle der Rentenversicherungsträger gespeichert werden dürfen, um zu prüfen, ob eine im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches ausgeübte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit die Voraussetzungen erfüllt, nach denen die deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit aufgrund der Vorschriften des Titels II der Verordnung (EG) 883/2004 keine Anwendung finden.
Abs. 1 der Vorschrift schließt die Anwendung von § 150 Abs. 3 Satz 1 für Staaten und Personengruppen aus, für die weiterhin die bisherige Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 einschlägig ist.
Abs. 2 regelt, welche Daten in einem für Anwendungsfälle der Weitergeltung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 weiteren Datensystem der Deutschen Rentenversicherung gespeichert werden dürfen.
2 Rechtspraxis
2.1 Anwendungsfälle der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
Rz. 3
Die bisherige Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit in der Europäischen Union wurde mit Wirkung zum 1.5.2010 für die damaligen Mitgliedsstaaten der EU durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ersetzt.
Gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unterlag eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausgeübt hatte, grundsätzlich den Sozialrechtsvorschriften dieses Staates. Abweichend von diesem Grundsatz sah die Verordnung (EWG) 1408/71 Ausnahmeregelungen vor, nach denen die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des Mitgliedsstaates, in dem die Beschäftigung/selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde, keine Anwendung fanden. In diesen Ausnahmefällen stellte die für einen Mitgliedstaat jeweils zuständige Behörde dem Betroffenen eine Bescheinigung aus, nach der die für diesen Mitgliedsstaat geltenden Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit weiterhin galten (sog. Entsendebescheinigungen 101; E 101-Bescheinigung). Zur Vermeidung des Missbrauchs von E 101-Bescheinigungen und mit dem Ziel der Eindämmung von Schwarzarbeit sollten alle im Ausland ausgestellten E 101-Bescheinigungen von einer zentralen Datenstelle erfasst werden. Laut Beschluss der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeiter v. 17.3.2005 hatte die ausstellende Behörde eine Ausfertigung der E 101-Bescheinigung an die zentrale Datens...