Rz. 59
Die Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragshöhe hat grundsätzlich personenbezogen zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R). Als Ausnahme von diesem Grundsatz kann der prüfende Träger der Rentenversicherung nach § 28f Abs. 2 Satz 1 den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (Summenbescheid), wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Für den Summenbescheid charakteristisch ist der Verzicht auf die grundsätzlich erforderliche Personenbezogenheit der Feststellungen; erfolgt allein eine Schätzung der Entgelte einzelner Arbeitnehmer (§ 28f Abs. 2 Satz 3 und Satz 4) bei fortbestehender personenbezogener Feststellung der Beitragshöhe, so liegt kein Summenbescheid i. S. d. § 28f Abs. 2 Satz 1 vor (BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R). Ein nicht personenbezogener Summenbescheid darf nur ergehen, wenn der Rentenversicherungsträger nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zuordnen kann (BSG, Urteil v. 26.9.2017, B 1 KR 31/16 R). Dabei ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids abzustellen (BSG, Urteil v. 27.4.2021, B 12 R 18/19 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.11.2022, L 11 BA 3292/21).
Rz. 60
Die Einzelheiten hinsichtlich der Aufzeichnungspflichten folgen aus Abs. 1, Abs. 2 sowie §§ 7 ff. BVV. Diese Pflicht ist verletzt, wenn der Arbeitgeber die erforderlichen Aufzeichnungen ganz oder teilweise unterlässt, wobei es nicht darauf ankommt, ob ihn ein Verschulden trifft (BSG, Urteil v. 4.9.2018, B 12 R 4/17 R; BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R; BSG, Urteil v. 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R). Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen schließt die Anwendung des Abs. 2 nicht aus. Zu den Entgeltunterlagen gemäß § 28f Abs. 1 gehören insbesondere Angaben über das Arbeitsentgelt, seine Zusammensetzung und zeitliche Zuordnung (§ 8 Abs. 1 Nr. 10 BVV).
Rz. 61
Allein die Pflichtverletzung erlaubt keinen Summenbescheid. Hinzukommen muss, dass die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Das gilt nicht nur, wenn die Lohnsumme für den Erlass eines Summenbescheids nicht festgestellt werden kann, sondern auch, wenn die genaue Bestimmung der Entgelthöhe nicht möglich ist (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R; BSG, Urteil v. 4.9.2018, B 12 R 4/17 R). Beide Voraussetzungen stehen nicht isoliert nebeneinander. Sie werden vielmehr mittels der Konjunktion "dadurch" verknüpft. Mithin muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Anders ausgedrückt: Die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe kann deswegen nicht festgestellt werden, weil der Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
Rz. 62
Sind die solchermaßen genannte Eingangsvoraussetzungen erfüllt, leitet das über in die Rechtsfolge. Hiernach kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (Abs. 2 Satz 1 HS 2).
Rz. 63
Das Verb "kann" ist nicht so zu verstehen, dass hierdurch ein Ermessen eröffnet würde. Vielmehr zeigt diese Formulierung nur auf, dass die Behörde befugt ist, den Beitrag geltend zu machen. Es handelt sich um eine Kompetenzzuweisung (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7.6.2022, L 4 BA 28/21 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.1.2018, L 2 R 245/17).
Rz. 64
Zuständig ist der prüfende Träger der Rentenversicherung.
Rz. 65
Die Behörde wird ermächtigt, den Beitrag in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung auf der Grundlage der ihr bekannten Arbeitsentgelte zu berechnen und geltend zu machen. Dabei geht es nicht darum, den Beitrag jedes einzelnen Arbeitnehmers zu ermitteln. Vielmehr wird der vom Arbeitgeber zu zahlende Beitrag aus der Summe der gezahlten Arbeitsentgelte ermittelt. Die Behörde macht den Beitrag sodann geltend. Das meint, dass sie einen Summenbescheid erlässt, aufgrund dessen der Arbeitgeber zur Zahlung verpflichtet wird (vgl. auch Rz. 59).
Rz. 66
Soweit sich ein Arbeitgeber auf zur Beitragsbefreiung führende Ausnahmetatbestände entsprechend den steuerrechtlichen Vorgaben beruft, trifft ihn als Beitragspflichtigen die objektive Beweislast für diejenigen Tatsachen, die eine Beitragsbefreiung oder Beitragsermäßigung begründen oder den Beitragsanspruch aufheben oder einschränken (BFH, Urteil v. 5.7.1996, VI R 76/95; BFH, Urteil v 17.7.1980, IV R 140/77; BFH, Urteil v. 24.6.1976, IV R 101/75; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 20.4.2016, L 2 R 456/16). Hat ein Arbeitgeber durch Verletzung der ihm obliegenden Aufzeichnungspflicht vereitelt, dass die Einzugsstelle die für die versicherungs...