Rz. 67
Satz 1 gilt allerdings nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (Abs. 2 Satz 2). Das ist schon deswegen sinnvoll, weil es nicht darum geht, die Verletzung der Aufzeichnungspflicht zu pönalisieren. Diese ist nur Mittel zum Zweck. Sie dient allein dazu, die Beitragshöhe zu bestimmen. Lässt sich dieses Ziel ungeachtet dessen errreichen, dass der Arbeitgeber gegen die Aufzeichnungspflicht verstoßen hat, dann ist es nur folgerichtig, den Anwendungsbereich des Abs. 2 Satz 1 durch Abs. 2 Satz 2 einzugrenzen. Zweck der Regelung ist es insofern, Einnahmeverluste der Sozialkassen infolge einer Aufzeichnungspflichtverletzung weitgehend zu vermeiden und zugleich auszuschließen, dass Arbeitgeber mittels einer Aufzeichnungspflichtverletzung Wettbewerbsvorteile erlangen könnten (vgl. BFH, Urteil v. 15.6.2023, VI R 27/20). Der nicht personenbezogenen Beitragsrechnung kommt dabei die Wirkung einer "Sonderabgabe" zulasten des Arbeitgebers zu, denn ein Summenbescheid führt zwar für die beteiligten Versicherungsträger zu Einnahmen, Leistungsausgaben sind hierfür i. d. R. jedoch nicht zu erbringen (BFH, a. a. O.).
Rz. 68
Das Adjektiv "unverhältnismäßig" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, den die Behörde im Einzelfall mit Blick auf eine Mittel-Zweck-Relation konkretisieren muss. Sind dem Rentenversicherungsträger die entsprechenden Feststellungen zuzumuten, darf kein Summenbescheid erlassen werden. Die Verhältnismäßigkeit des Summenbescheids kann auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Dieses ist zur Wahrung der sozialen Rechte der Beschäftigten selbst dann erforderlich, wenn der Arbeitgeber den Erlass eines Summenbescheids nicht rügt. Für eine Beanstandung durch ein Gericht ist jedoch erforderlich, dass für den Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens bei einer Gesamtwürdigung der Summenbescheid für die Beklagte als unverhältnismäßig erscheinen musste und deshalb eine personenbezogene Feststellung der Beiträge geboten war (BSG, Urteil v. 7.2.2002, B 12 KR 12/01 R). Insoweit ist eine Abwägung zwischen dem im Einzelfall zu erwartenden Verwaltungsaufwand und den Interessen der Versicherten wie auch des Arbeitgebers vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung ist sowohl die Amtsermittlungspflicht des prüfenden Trägers, der sich sämtlicher in Betracht kommender Beweismittel zu bedienen hat, als auch die Mitwirkungspflicht des zu prüfenden Arbeitgebers, der über die konkrete Aufzeichnungspflicht hinaus allgemein angemessene Prüfhilfen zu leisten hat (§ 28p Abs. 5 Satz 1), zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil v. 4.9.2018, B 12 R 4/17 R; BSG, Urteil v. 16.12.2015, B 12 R 11/14 R; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 7.6.2022, L 4 BA 28/21 B ER).
Rz. 69
Die Sperre des Abs. 2 Satz 2 greift indessen nicht allumfassend, sondern nur "soweit". Das verlangt, dass ggf. hinsichtlich der einzelnen Versicherungszweige differenziert werden muss.