Rz. 9
Die Vorschrift begründet die sachliche Zuständigkeit der Einzugsstelle für die darin genannten Fallgestaltungen. Diese Zuständigkeitsregelung ist nicht dispositiv. Sie ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch anzuwenden, wenn es um die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe nur in einem der Zweige der Sozialversicherung geht. Das Gesetz begründet auch in einem solchen Fall die Zuständigkeit der Einzugsstelle für die Verwaltungsentscheidungen und schließt damit auch insoweit die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers aus (vgl. BSG, Urteil v. 23.9.2003, B 12 RA 3/02 R).
Rz. 10
Die Vorschrift trifft 3 grundlegende Anordnungen: Zunächst legt sie fest, an wen der Gesamtsozialversicherungsbeitrag i. S. d. § 28d zu zahlen ist (Abs. 1 Satz 1). Als Adressat werden die Krankenkassen benannt. Diese sind legal als Einzugsstellen definiert. Da Abs. 1 Satz 1 nicht weiter differenziert, sind insoweit "die", also alle Krankenkassen gemeint. Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber bzw. die DRV Bund zu zahlen (§ 28e Abs. 1 Satz 1). Letztgenannte Vorschrift begründet die Verpflichtung, den Beitrag zu zahlen, sagt aber nichts darüber aus, an wen zu leisten ist. Diese Lücke füllt Abs. 1 Satz 1. Zu zahlen ist an die Krankenkasse.
Rz. 11
Sodann bestimmt Abs. 1 Satz 2, dass die Einzugsstelle die Einreichung des Beitragsnachweises und die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen hat. Es handelt sich um eine zweifache Aufgabenzuweisung. Zu überwachen ist zunächst die Einreichung des Beitragsnachweises. Für jeden Abrechnungszeitraum müssen die Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten berechnet werden. Mit dem Beitragsnachweis teilen Arbeitgeber der jeweiligen Einzugsstelle die Höhe und Aufteilung der Sozialversicherungsbeiträge mit, die sie zahlen müssen (§ 28f). Nach § 28f Abs. 3 Satz 1 hat der Arbeitgeber der Einzugsstelle den Beitragsnachweis durch Datenübertragung zu übermitteln. Diese dem Arbeitgeber auferlegte Pflicht hat die Einzugsstelle zu überwachen. Das Verb "überwachen" meint nach geläufigem Sprachverständnis "beobachten, kontrollieren, für den richtigen Ablauf einer Sache sorgen; darauf achten, dass in einem bestimmten Bereich alles mit rechten Dingen zugeht" (https://www.duden.de/rechtschreibung/ueberwachen). In diesem Sinne ist der Einzugsstelle auch aufgegeben, die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu überwachen. Das knüpft an die dem Arbeitgeber bzw. der DRV Bund obliegende Verpflichtung an, diesen Beitrag zu zahlen (§ 28e Abs. 1).
Rz. 12
Schließlich hat die Einzugsstelle nicht rechtzeitig erfüllte Beitragsansprüche geltend zu machen (Abs. 1 Satz 2). Beitragsansprüche entstehen nach Maßgabe des § 22. Deren Fälligkeit bestimmt § 23. Der Arbeitgeber muss den Beitragsnachweis spätestens 2 Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge übermitteln (§ 28f Abs. 3 Satz 1). Die Beiträge sind immer am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Der Bankarbeitstag richtet sich nach dem Sitz der Krankenkasse. Die Beitragsnachweise müssen bereits um 0:00 Uhr am Fälligkeitstag vorliegen. D.h., sie müssen spätestens am Tag davor bis 24 Uhr bei der Krankenkasse eingehen, damit sie rechtzeitig zur Fälligkeit vorliegen (hierzu https://www.tk.de/firmenkunden/versicherung/beitraege-faq/angaben-beitragszahlung/zu-welchem-zeitpunkt-sind-die-beitraege-faellig-2031324).
Rz. 13
Die Formulierung in Abs. 1 Satz 3 ("hat") verpflichtet die Krankenkasse als Einzugsstelle, die nach § 22 entstandenen Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind (vgl. § 23), beim Beitragsschuldner geltend zu machen (hierzu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.11.2012, L 1 KR 242/10), d. h. bei Fälligkeit notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung einzuziehen. Zwischen der Einzugsstelle und dem Rentenversicherungsträger besteht ein Treuhandverhältnis, mit dem die Einzugsstelle Inhaberin der Beitragsforderung gegenüber den Beitragsschuldnerin (Arbeitgeber) ist, die Beitragsforderung jedoch im Innenverhältnis zum Rentenversicherungsträger ein für die Einzugsstelle fremdes Recht bleibt (BSG, Urteil v. 22.9.1993, 12 RK 16/91). Die Einzugsstelle tritt daher im Außenverhältnis als Gläubigerin des Gesamtsozialversicherungsbeitrags auf (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 12.10.2023, L 14 BA 47/21; LSG Sachsen, Urteil v. 15.6.2023, L 9 BA 15/20). Die Vorschrift steht in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit § 28p. So hat die Betriebsprüfung insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine bindende Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge unternehmen können (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 26.1.2024, L 28 BA 42/21).
Rz. 14
Bei rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen handelt es sich im Insolvenzfall um Insolvenzforderungen i. S. d. § 38 InsO und nicht um Masseverbindlichkeiten (LS...