2.1 Organe
2.1.1 Organbegriff
Rz. 4
Der Organbegriff (grundlegend Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. 2 §§ 74, 75) ist ein grundlegender Begriff des Verwaltungsrechts. Jede juristische Person, auch die Körperschaft des öffentlichen Rechts, benötigt Organe, um sich verwirklichen zu können und ihren Willen in die Tat umzusetzen. Das Wollen und Handeln der Person oder Personengemeinschaft mit Organeigenschaft wird der juristischen Person als deren eigenes Wollen und Handeln rechtlich zugerechnet. So wird Eigentümer der vom Vorstand eines Versicherungsträgers gekauften Gegenstände der Versicherungsträger. Der Verwaltungsakt eines Versicherungsträgers (z. B. Rentenbewilligungs- oder -entziehungsbescheid, Beitragserhöhung) ist nicht der Akt des Direktoriums, Geschäftsführers oder seines beauftragten Sachbearbeiters, sondern der des Versicherungsträgers selbst, so dass auch eine eventuelle Klage gegen den Versicherungsträger und nicht gegen die jeweils handelnde Person (Direktorium, Geschäftsführer, Sachbearbeiter) zu richten ist. Für die öffentlich-rechtliche Körperschaft werden nicht nur Organe wie der Geschäftsführer, sondern auch andere von der Körperschaft angestellte Personen wie etwa Sachbearbeiter tätig. Diese handeln aber aufgrund einer ihnen vom Organ im Einzelfall oder für bestimmte Aufgabenbereiche erteilten Vertretungsmacht (im Auftrag).
Ein weiteres Merkmal des Organbegriffs ist seine institutionelle und nicht personenbezogene Eigenschaft. Das Organ selbst ist von der Person und einem Personenwechsel unabhängig, sodass die Kontinuität des rechtlichen Handelns der Körperschaft gewährleistet bleibt. Alle Rechtshandlungen mit Dauerwirkung, z. B. die Aufstellung der Satzung (§ 33), bleiben vom Personenwechsel innerhalb der Organe unberührt und wirken fort, bis sie auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise geändert werden.
2.1.2 Einzelne Organe
Rz. 5
Grundsätzlich können als Organ sowohl eine Personengemeinschaft (Kollegium) als auch eine Einzelperson berufen sein. Das Gesetz sieht als kollegiale Organe die Vertreterversammlung, den Verwaltungsrat (Abs. 3a), den Vorstand (Abs. 1 Satz 1), das Direktorium und die Geschäftsführung (§ 36 Abs. 4) sowie als Einzelorgane den Geschäftsführer (Abs. 1 Satz 2) vor. Daneben gibt es bei der Deutschen Rentenversicherung Bund die Bundesvertreterversammlung und den Bundesvorstand, denen lediglich in Teilbereichen Aufgaben organschaftlichen Handelns übertragen worden sind. Die unterschiedliche Bezeichnung als Selbstverwaltungsorgane bzw. Organe ist hinsichtlich des organschaftlichen Status unerheblich. Sie verdeutlicht lediglich den Unterschied in der Besetzung des jeweiligen Organs.
Rz. 6
Nicht zu den Organen gehören die Versichertenältesten und die Vertrauenspersonen, weil ihnen gesetzlich keine eigenen Kompetenzen übertragen worden sind. Ihre Tätigkeit dient zwar dem Versicherungsträger, liegt aber außerhalb des von der Willensbildung des Versicherungsträgers erfassten Bereichs. Die "Besonderen Ausschüsse" gemäß § 36a gehören ebenfalls nicht zu den Selbstverwaltungsorganen, weil sie gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben sind, sondern von der Vertreterversammlung bzw. dem Verwaltungsrat gebildet werden und somit "im Auftrag" handeln. Zu den einzelnen Aufgaben der Organe und ihren Abgrenzungen zueinander vgl. die §§ 33, 35, 35a und 36 sowie die Komm. dort.
Rz. 7
Bei den in § 35a genannten Krankenkassen, also den Orts-, Innungs-, Betriebs- und Ersatzkassen, ist durch die am 1.1.1996 eingetretene Gesetzesänderung ein Verwaltungsrat an die Stelle der Vertreterversammlung sowie ein hauptamtlicher Vorstand an die Stelle des ehrenamtlichen Vorstandes und des Geschäftsführers getreten. Von dieser Sonderregelung sind die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau nicht betroffen, da sie als Krankenversicherungsträger keine eigenständigen Organe hat (BT-Drs. 12/3608 S. 128). Diese strukturverändernde Neuordnung des Selbstverwaltungsrechts der Krankenkassen soll – verbunden mit der Verringerung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane – dazu beitragen, dass die Krankenkassen den durch die Wahlfreiheit und den Wettbewerb gestiegenen Anforderungen an Entscheidungsfähigkeit, Kompetenz und Flexibilität gerecht werden können (BT-Drs. 12/3608 S. 75). Diese Veränderung wirkt sich weiter auf die Organe der Landesverbände der Krankenkassen (§§ 209, 209a SGB V) und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (§ 217b SGB V) sowie die Pflegekassen aus, die bei den Krankenkassen errichtet sind und mit diesen eine Verwaltungsgemeinschaft bilden (§ 46 SGB XI).
Rz. 8
Durch das RVOrgG sind bei der Deutschen Rentenversicherung Bund das Direktorium, die Bundesvertreterversammlung und der Bundesvorstand als Organe geschaffen worden. Nach dem gemeinsamen Konzept wird die Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Bund durch das Direktorium wahrgenommen. Die Zusammensetzung des Direktoriums und die Aufgabenverteilung innerhalb dieses Gremiums regelt § 36 Abs. 3a. Im Übrigen g...