0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 3 Nr. 3 des Gesundheitsstrukturgesetzes v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) mit Wirkung zum 1.1.1996 um Abs. 3 ergänzt. Durch das RVOrgG v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3242) ist Abs. 1 um die Sätze 2 und 3 erweitert worden; Abs. 4 wurde angefügt (mit Wirkung zum 1.10.2005). Durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und Änderung anderer Gesetze v. 15.7.2009 (BGBl. I S. 1939) wurden mit Wirkung zum 22.7.2009 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 neu gefasst. Seit dem 19.11.2009 gilt § 33 i. d. F. der Bekanntmachung v. 12.11.2009 (BGBl. I S. 3710).
1 Allgemeines
Rz. 2
Soweit die Vorschrift die Beschlussfassung der Vertreterversammlung über autonomes Recht und die Vertretung gegenüber dem Vorstand normiert, ersetzt sie Regelungen, die schon vorher in der Sozialversicherung Geltung hatten. Durch Abs. 3 überträgt der Gesetzgeber die Aufgaben der Vertreterversammlung für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (außer Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See – §§ 166, 167 SGB V) dem dort an die Stelle getretenen Verwaltungsrat. Mit der Ergänzung der Vorschrift um Abs. 4 wird sichergestellt, dass die Vorschriften über die Vertreterversammlung und deren Vorsitzenden auch für die Bundesvertreterversammlung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und deren Vorsitzenden gelten.
2 Rechtspraxis
2.1 Begriff der Vertreterversammlung
Rz. 3
Die Vertreterversammlung ist das oberste Organ des Versicherungsträgers. Zusammen mit dem Vorstand repräsentiert sie die im Versicherungsträger zusammengeschlossene Versichertengemeinschaft und soll in ihrer Zusammensetzung möglichst die wesentlichen sozialen, beruflichen und wirtschaftlichen Strukturen, die für die Gemeinschaft bestimmend sind, wiedergeben. In diesem Rahmen kann sie insbesondere wegen ihrer Befugnis zur autonomen Rechtssetzung als Parlament (Legislativorgan) des Versicherungsträgers bezeichnet werden, während der Vorstand gleichsam die Regierung (Exekutivorgan) bildet. Die Vertreterversammlung hat jedoch über die Setzung autonomen Rechts hinaus auf dem Gebiet des Organisations- und Finanzwesens wichtige Aufgaben wahrzunehmen, etwa bei der Feststellung des Haushaltsplanes (§ 70 Abs. 1 Satz 2), während der Vorstand andererseits nicht völlig ohne Legislativfunktion ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung hat er etwa die von der Vertreterversammlung bzw. dem Verwaltungsrat zu genehmigende Dienstordnung aufzustellen.
2.2 Zuständigkeitsbereich
Rz. 4
Der Zuständigkeitsbereich der Vertreterversammlung im Einzelnen ist breit gefächert und in den verschiedenen Versicherungszweigen vielfach unterschiedlich geregelt. Als Hauptaufgabe weist das Gesetz der Vertreterversammlung jedoch die wichtigste Selbstverwaltungsaufgabe schlechthin zu, nämlich die autonome Rechtssetzung. Autonomes Recht ist damit kein staatlich gesetztes Recht, sondern ein bedeutungsvolles Kernstück der Selbstverwaltung. Jedoch bedarf es immer einer gesetzlichen Ermächtigung, die ebenso wie höherrangiges Recht zu beachten ist. Insoweit ist eine gerichtliche Kontrolle möglich (BSG, SozR 3-2200 § 725 Nr. 2). Das bedeutet gleichzeitig, dass durch satzungsrechtliche Bestimmungen keine neuen Zuständigkeiten für den Versicherungsträger geschaffen werden dürfen. Die Festsetzung von Mindestbeiträgen (in der gesetzlichen Unfallversicherung) dem Vorstand zu übertragen, ist mangels gesetzlicher Ermächtigung unzulässig (BSG, Urteil v. 4.12.2014, B 2 U 11/13 R). Gleichzeitig ist eine staatliche Kontrolle insoweit erforderlich, als die Einhaltung der gesetzlichen Ermächtigungsvorgaben zu überwachen ist.
Die Bedeutung der Rechtsetzung durch die Vertreterversammlung wird dadurch erkennbar, dass das Satzungsrecht im Bereich der Sozialversicherung neben dem Gesetzesrecht die wichtigste Rechtsquelle darstellt. Die Vertreterversammlung ist dabei befugt, Selbstverwaltungsaufgaben weitgehend an sich zu ziehen (sog. Kompetenz-Kompetenz). Allerdings darf dies nicht zu einer Änderung verfassungsmäßig vorgesehener Kompetenzverteilungen führen, die einen Eingriff in den Kernbereich der gesetzlichen Zuständigkeiten von Vorstand, Direktorium und/oder Geschäftsführer darstellen.
Rz. 5
Generell gilt der Grundsatz, dass bei einer Abstimmung in der Vertreterversammlung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet. Da jedoch der Regelungsbereich der Satzung der Deutschen Rentenversicherung Bund sowohl Trägeraufgaben als auch Grundsatz- und Querschnittsaufgaben und gemeinsame Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung betrifft, ist für die Beschlussfassung gemäß § 64 Abs. 4 eine Mehrheit von zwei Dritteln aller Stimmen erforderlich, soweit Regelungen zu Grundsatz- und Querschnittsaufgaben der Deutschen Rentenversicherung und zu gemeinsamen Angelegenheiten der Träger der Rentenversicherung getroffen werden, da von diesen Regelungen auch die Regionalträger und die Deutsche Knappschaft-Bahn-See betroffen werden. Bei Regelungen zu Trägeraufgaben bedarf der Beschluss ...