0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist – zusammen mit den weiteren Vorschriften der §§ 48b und 48c – mit Wirkung zum 3.8.1984 durch das Gesetz zur Verbesserung des Wahlrechts für die Sozialversicherungswahlen v. 27.7.1984 (BGBl. I S. 1029) in das SGB IV eingefügt worden. Sie gilt seitdem unverändert.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Diese Vorschriften betreffen die Arbeitnehmervereinigungen, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 berechtigt sind, Vorschlagslisten zu den Sozialversicherungswahlen einzureichen. § 48a konkretisiert dabei die begrifflichen Voraussetzungen der Arbeitnehmervereinigung, während die §§ 48b und 48c verfahrenstechnische Regelungen festlegen, die im Interesse einer rationellen Durchführung der Wahlen die vorgezogene bzw. frühzeitige Feststellung der Vorschlagsberechtigung einer Arbeitnehmervereinigung ermöglichen. Dadurch sollen Organisationen von den Wahlen ferngehalten werden, die nicht geeignet sind, neben Gewerkschaften die Versicherten in den Selbstverwaltungsorganen zu vertreten. Verfassungsrechtlich ist es zulässig, ein Wahlvorschlagsrecht von äußeren, formalen Mindestvoraussetzungen abhängig zu machen (BVerfG, NJW 1986 S. 1093).
Soweit das Vorschlagsrecht verneint wird, schließt das nicht gleichzeitig das passive Wahlrecht aus, da die Möglichkeit der Kandidatur auf einer freien Liste grundsätzlich besteht.
- Im Falle des § 48b betrifft das die Vorschlagsberechtigung bei einem bestimmten Versicherungsträger (zuständig ist der bei diesem Versicherungsträger bestellte Wahlausschuss),
- Im Falle des § 48c betrifft das die allgemeine Vorschlagsberechtigung bei allen Versicherungsträgern (zuständig ist der Bundeswahlbeauftragte).
2 Rechtspraxis
2.1 Begriffliche Voraussetzungen (Abs. 1)
Rz. 2
Sollte die Regelung ursprünglich nur das Nähere zum Begriff der Arbeitnehmervereinigung regeln, nichts aber zum Begriff der in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 vorrangig genannten Gewerkschaft, so ergab sich im Verlauf der Ausschussberatungen, beides miteinander zu verknüpfen (Ausschussempfehlung zum Entwurf des Wahlverbesserungsgesetzes 1984, BT-Drs. 10/1658 S. 321). Die in § 48a gefundene Lösung gilt für alle Arbeitnehmervereinigungen (also auch die Gewerkschaften) und setzt voraus, dass eine Arbeitnehmervereinigung
- entweder in arbeitsrechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen einer Gewerkschaft erfüllen oder aber
- bestimmte Nachhaltigkeitskriterien aufweisen muss.
Der Begriff der Arbeitnehmervereinigung ist dabei der Oberbegriff, der Gewerkschaften und "sonstige Arbeitnehmervereinigungen" umfasst.
Rz. 3
Arbeitsrechtlich ist für eine Gewerkschaft wesentlich, dass Tariffähigkeit, nicht dagegen, dass Bereitschaft zum Arbeitskampf besteht (vgl. Becher, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, Anm. zu § 48a). Für eine Gewerkschaft dürften im Übrigen die in Satz 1 für eine Arbeitnehmervereinigung alternativ geforderten Merkmale von Natur aus gegeben sein (Freund, in: Hauck/Noftz, SGB IV, Anm. 4 zu § 48a m. w. N.). Weitere Ausführungen zum Begriff der Gewerkschaft enthält § 11 ArbGG.
Rz. 4
Wesentlich für eine Arbeitnehmervereinigung ist die sozial- oder berufspolitische Zwecksetzung, die sich nicht nur allein aus der Satzung ergeben darf, sondern auch durch die Organisationsstruktur und erkennbare praktische Aktivitäten belegbar sein muss (vgl. BSG, Urteil v. 14.6.1984, SGb 1985 S. 114). Die Vorschrift nennt im Übrigen eine Reihe von Kriterien, die Anhaltspunkte für Dauer und Ernsthaftigkeit der sozial- oder berufspolitischen Zwecksetzung bieten. Die Aufzählung ist nicht abschließend, sondern beispielhaft ("insbesondere"). Die u. a. als Kriterium erwähnte Anzahl der beitragszahlenden Mitglieder wird in Abs. 4 konkretisiert. Daneben sind Kriterien wie die räumliche Verbreitung und die finanzielle Unabhängigkeit zu berücksichtigen.
2.2 Namensgebung der Vereinigung (Abs. 2)
Rz. 5
Der Name einer Arbeitnehmervereinigung, der sich aus der Satzung ergibt, darf nicht irreführend sein (Satz 1). Er muss als solcher mit der Bezeichnung auf der Vorschlagsliste übereinstimmen. Sofern der Name auf eine bestimmte Personengruppe hinweist, muss insbesondere ein maßgebender Einfluss dieser Gruppe in der Vereinigung gewährleistet sein (Satz 2). Das schließt zwar nicht aus, dass auch andere Personen Mitglieder sind (z. B. Selbständige, Hausfrauen, etc.), jedoch müssen die Arbeitnehmer den wesentliche Einfluss haben. Auf der anderen Seite hat sich das im früheren Recht des bis 30.6.1977 geltenden Selbstverwaltungsgesetzes enthaltene Verbot, im Namen der Vereinigung auf bestimmte Versicherungsträger hinzuweisen, nicht als verfassungskonform erwiesen (vgl. BVerfGE 30 S. 277).
2.3 Bedienstetenvereinigungen (Abs. 3)
Rz. 6
Um den Einfluss Bediensteter eines Versicherungsträgers auf seine Kontrollorgane in Grenzen zu halten, sind solche Arbeitnehmervereinigungen nicht vorschlagsberechtigt, denen
- zu mehr als 25 % Bedienstete angehören oder
- in deren Vorstand Bedienstete einen Stimmenanteil von mehr als 25 % haben oder
- in denen Bediensteten in sonstiger Weise ein nicht unerheblicher Einfluss eingeräumt ist.
Denn es widerspricht dem Gedanken der demokratischen Kontrolle, wenn ein zu großer Anteil an Beschäftigten in den Selbst...