0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 81 ist zusammen mit den übrigen Vorschriften des SGB IV mit Wirkung zum 1.1.1977 in Kraft getreten und seither nicht geändert worden. Die Norm knüpft an §§ 752, 753 Abs. 1 RVO an, überlässt es jedoch den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige, entsprechend den unterschiedlichen Verhältnissen Bestimmungen über die Betriebsmittel zu treffen (BT-Drs. 7/4122 S. 38). Sonderregelungen finden sich für die Krankenversicherung in § 260 SGB V, für die Rentenversicherung in §§ 216, 217 SGB VI, für die Pflegeversicherung in § 63 SGB XI und für die Künstlersozialversicherung in § 44 KSVG. Für die Bundesagentur für Arbeit, die Knappschaft-Bahn-See und die Alterskasse der Landwirte sind Betriebsmittel aufgrund der Finanzierung durch den Bund (z. B. über Darlehen und Zuschüsse) nicht vorgesehen (vgl. §§ 363 bis 365 SGB III, §§ 213 bis 215 SGB VI, § 78 ALG; vgl. Engelhard, in: jurisPK-SGB IV, § 81 Rz. 8).
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift definiert Betriebsmittel (allein) im Hinblick auf ihren Zweck zum einen als kurzfristig verfügbare Mittel zur Bestreitung der laufenden Aufgaben der Versicherungsträger und zum anderen zum Ausgleich von Einnahme- und Ausgabeschwankungen (vgl. Dahm, in: Eichenhofer/Wenner, SGB IV, § 81 Rz. 5).
Betriebsmittel erfassen alle Vermögenswerte, die nicht Rücklage oder Verwaltungsvermögen sind, soweit sich aus den besonderen Vorschriften der einzelnen Sozialversicherungszweige nichts anderes ergibt (vgl. Engelhard, a. a. O., Rz. 13).
Auch wenn der Begriff "bereithalten" suggerieren könnte, dass die laufenden Einnahmen, die sofort wieder ausgegeben werden, nicht dazu gehören, folgt aus der Begriffsbestimmung als solcher, dass Mittel zur Bestreitung der laufenden Ausgaben die laufenden Einnahmen sind, also maßgeblich die Beiträge (vgl. § 21; so bereits zu § 364 Abs. 2 Satz 1 RVO BSG, Urteil v. 13.5.1982, 8 RK 30/81; vgl. auch Engelhard, a. a. O., Rz. 12; Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, SGB IV, § 81 Rz. 1, geht hingegen davon aus, dass der Begriff der Betriebsmittel in § 81 und § 260 SGB V nicht zwingend identisch sei; ihm folgend: Dahm, a. a. O., § 81 Rz. 5).
Zum Ausgleich von Einnahme- und Ausgabeschwankungen dient die sog. Betriebsmittelreserve (vgl. BT-Drs. 8/3126 S. 11), die sich von der Rücklage durch ihre rasche Verfügbarkeit unterscheidet (Engelhard, a. a. O., Rz. 11, vergleicht sie mit einem "Feuerwehrfonds") und Vermögensbestandteil ist (vgl. Pfohl, in: Becker/Kingreen, SGB V, 5. Aufl. 2017, § 260 Rz. 2).
2 Rechtspraxis
2.1 Höhe der Betriebsmittel
Rz. 3
Hinsichtlich der Höhe der Betriebsmittel ergeben sich aus § 81 keine Festlegungen. Näheres ergibt sich aus den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Verhältnisse (Krankenversicherung: bis zum 1,5fachen der durchschnittlichen Monatsausgabe, § 260 SGB V; Krankenversicherung der Landwirte: Satzung kann den Durchschnittsbetrag auf den 2fachen Monatsbetrag der Ausgaben erhöhen, § 51 Abs. 1 Satz 2 KVLG 1989; Unfallversicherung: bis zu einer Jahresausgabe, § 172 SGB VII; Pflegeversicherung: bis zu einer durchschnittlichen Monatsausgabe, § 63 SGB XI; Künstlersozialversicherung: mindestens eine Monatsausgabe nach dem Durchschnitt des vorausgegangenen Kalenderjahres, § 44 KSVG; Bundesagentur für Arbeit: ohne Konkretisierung). Eine Besonderheit bildet die von den Trägern der Rentenversicherung vorzuhaltende Nachhaltigkeitsrücklage (Betriebsmittel und Rücklage), der nach § 216 Abs. 1 SGB VI die Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben zugeführt werden und über die Defizite zu decken sind. Sie steht der Betriebsmittelreserve näher als der Rücklage (Engelhard, a. a. O., Rz. 34; Glombik, RV 2013 S. 26), da sie liquide anzulegen ist (§ 217 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Sie ist Grundlage der Beitragsfestsetzung (§ 158 Abs. 1 SGB VI) und beträgt wenigstens das 0,2-fache (§ 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) und maximal das 1,5-fache der monatlichen Aufwendungen (§ 158 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI).
2.2 Grundsätze für die Anlegung
Rz. 4
Spezielle Vorschriften (vergleichbar § 83 für die Rücklage) bestehen für die Anlegung der Betriebsmittel nicht. Die Gestaltungsfreiheit der Sozialversicherungsträger ist jedoch begrenzt durch die ausdrückliche Zielsetzung der kurzfristigen Verfügbarkeit: Betriebsmittel sind so zu verwalten, dass sie zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft – ohne Kreditaufnahmen - durchgehend verfügbar sind. Verboten ist eine Vermögensanlage, soweit Betriebsmittel zur Deckung der laufenden Ausgaben benötigt werden (vgl. BSG, Urteil v. 3.3.2009, B 1 A1/08 R). Der den Bedarf übersteigende Teil der Betriebsmittel, also die Betriebsmittelreserve, muss demgegenüber nicht ständig vorgehalten, sondern darf angelegt werden; zum Teil ist die Anlegung ausdrücklich vorgeschrieben (vgl. § 260 Abs. 3 SGB V; § 63 Abs. 3 SGB XI; § 172 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Wegen der Verpflichtung auf die Liquidität kommen in erster Linie kurzfristige Anlageformen wie etwa Termingelder oder Wertpapiere mit einer Laufzeit b...