Rz. 39
Für die Durchführung der stationären medizinischen Rehabilitation steht in Deutschland ein flächendeckendes Netz von indikationsspezifischen, meist größeren Rehabilitationseinrichtungen zur Verfügung. Diese Rehabilitationseinrichtungen sind typischerweise in landschaftlich ansprechenden Regionen abseits der Ballungsräume errichtet worden. Dieser stationären Rehabilitation liegt der Gedanke zugrunde, die Patienten aus ihrem häuslichen Umfeld herauszunehmen, um dadurch die Behandlung zu erleichtern und eine Gesundung sowie den Prozess der Krankheitsbearbeitung und Krankheitsbewältigung zu fördern. In bestimmten Gegenden können so auch die ortsgebundenen, geologischen Gegebenheiten (jodhaltige Luft, Heilwässer etc.) genutzt werden.Bis Mitte der 90er Jahre wurden daher – nicht zuletzt aufgrund der Wohnortferne der meisten Rehabilitationseinrichtungen – medizinische Rehabilitationsleistungen fast ausschließlich stationär durchgeführt. Erst durch die Neuformulierung des § 15 Abs. 2 zum 1.1.1997 (durch das WFG) besteht für die Rentenversicherungsträger die gesetzliche Möglichkeit, anstelle der vollstationären Rehabilitation auch eine ambulante Rehabilitation (bis 1.1.2001 auch teilstationäre Rehabilitation genannt) durchzuführen. Das BSG hat mit Urteil v. 5.7.2000 (B 3 KR 12/99 R) klargestellt, dass die ambulanten Rehabilitationsleistungen bezüglich der medizinischen Versorgungsqualität mit der der stationären Rehabilitationsleistungen vergleichbar sind.
Eine ambulante medizinische Rehabilitationsleistung hat – lässt man das in § 15 Abs. 6a aufgeführte Wahl- und Vorschlagsrecht des Versicherten unberücksichtigt – immer Vorrang vor einer stationären. Die stationäre Rehabilitationsleistung kommt dem Grunde nach somit nur dann in Betracht, wenn
- eine ambulante Rehabilitationsleistung für den angestrebten Rehabilitationserfolg wegen der fehlenden Mobilität des Versicherten nicht möglich ist,
- die Entfernung zwischen Wohn-/Aufenthaltsort und indikationsspezifischer Rehabilitationseinrichtung bzw. der zeitliche Aufwand für die erforderlichen Fahrten so hoch ist, dass ein tägliches An- und Abreisen für den Versicherten nicht zumutbar ist, oder
- aus sonstigen Gründen eine vollstationäre Rehabilitation erforderlich erscheint (z. B. bei psychisch kranken Menschen, die von ihrem sozialen Umfeld für eine gewisse Zeitspanne Abstand nehmen sollten – "Tapetenwechsel").
Der Unterschied zwischen einer ambulanten und einer (voll-)stationären Behandlung besteht in der Bereitstellung einer Unterkunft/Übernachtungsmöglichkeit. Bei einer ambulanten Leistung zur Rehabilitation sucht der Rehabilitand die Rehabilitationseinrichtung an jedem Therapietag auf und befindet sich nur während der eigentlichen Therapiezeit in der Rehabilitationseinrichtung. In der Regel werden die täglichen Therapien bei der ambulanten Rehabilitation zeitlich gebündelt innerhalb eines Zeitraums von 4 bis 6 Stunden erbracht. Damit hat eine ambulante Rehabilitation i. d. R. mindestens den gleichen Therapieumfang wie die stationäre. Gehen die Therapien über Mittag, wird dem Rehabilitanden i. d. R. eine Mahlzeit gereicht.
Anstelle der notwendigen Unterkunft in der Rehabilitationsklinik übernimmt der Rentenversicherungsträger bei einer ambulanten Rehabilitation die täglichen Fahrkosten zur Rehabilitationseinrichtung. Eine ambulante Rehabilitation ist deshalb nur sinnvoll, wenn die komplexen Angebote der medizinischen Rehabilitation wohnortnah durchgeführt werden können. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass eine Wegstrecke zur Rehabilitationseinrichtung mit dem gewählten Beförderungsmittel 45 Minuten oder eine einfache Wegstrecke von mehr als 30 km nicht übersteigen soll. Die täglich anfallenden Fahrtkosten werden dabei im vollen Umfang und ohne Zuzahlung des Versicherten vom Rentenversicherungsträger getragen (vgl. § 28 SGB VI i. V. m. § 73 SGB IX).
Ergänzende Informationen ergeben sich auf der Homepage der BAR-Frankfurt unter: "Rahmenempfehlungen – Allgemeiner Teil: Ambulante und stationäre medizinische Rehabilitation" (Fundstelle: Rz. 96).
Abgesehen von der mobilen Rehabilitation betragen die Kosten der ambulanten Rehabilitation auch dann, wenn man die Kosten des Versicherten für die täglichen Fahrten zur Rehabilitationseinrichtung und zurück berücksichtigt, i. d. R. weniger als die Kosten, die sonst bei einer stationär durchgeführten Rehabilitation entstehen würden. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes hat der Rentenversicherungsträger somit ein berechtigtes Interesse, die Möglichkeit zur Durchführung von ambulanten Rehabilitationsleistungen verstärkt zu prüfen.
Die Entscheidung, ob eine vom Versicherten beantragte Rehabilitationsleistung stationär oder ambulant durchgeführt wird, trifft der Rentenversicherungsträger im Rahmen seines Ermessens (§ 13 Abs. 1). Wünsche des Versicherten – auch die Wahl einer stationären anstelle einer dem Grunde nach medizinisch ausreichenden ambulanten Rehabilitationsleistung – sind zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 6a...