Rz. 73
Mit der Eintragung ist allerdings allenfalls die widerlegbare Vermutung verbunden, dass auch eine selbstständige Tätigkeit als Handwerker ausgeübt wird. Hinsichtlich der tatsächlichen Ausübung obliegt den Rentenversicherungsträgern und Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Pflicht der vollständigen Überprüfung. Vom tatsächlichen Ausüben der selbstständigen Tätigkeit ist daher i. d. R. zwar für die Dauer der Eintragung in der Handwerksrolle bzw. im Verzeichnis für zulassungsfreie Handwerke auszugehen. Mit der Eintragung ist allerdings keine unwiderlegbare Vermutung verbunden, dass auch eine selbstständige Tätigkeit als Handwerker ausgeübt wird.
Rz. 74
Unter Ausübung der handwerklichen Erwerbstätigkeit ist dabei nicht zu verstehen, dass der Gewerbetreibende selbst mit den in einem handwerklichen Betrieb anfallenden manuell-körperlichen Arbeiten befasst sein muss. Es reicht nach Größe, Struktur und Ausstattung des handwerklichen Betriebes aus, wenn der Gewerbetreibende nur planende, leitende und beaufsichtigende Funktionen übernimmt (zutreffend GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand 7.12.2023, Anm. 11.5).
Rz. 75
Die Ausübung einer solchen selbstständigen, handwerksmäßig betriebenen Tätigkeit richtet sich nach § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO. Die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI bezieht sich daher nur auf den Gewerbebetrieb, der i. S. d. § 1 Abs. 2 HwO handwerksmäßig ausgeübt wird (BSG, Urteil v. 22.10.1987, 12 RK 22/85).
Rz. 76
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO ist ein Gewerbebetrieb danach ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten).
Rz. 77
Keine wesentlichen Tätigkeiten sind nach § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO solche, die entweder in einem Zeitraum bis 3 Monate erlernt werden können (Nr. 1), nebensächlich sind (Nr. 2) oder insbesondere nicht aus einem zulassungspflichtigem Handwerk i. S. d. Anlage A entstanden sind (Nr. 3).
Rz. 78
Die zulassungspflichtigen Handwerke werden abschließend in der Anlage A ausgeführt; hier werden z. B. Tätigkeiten als Maurer und Ofenbauer (lfd. Nr. 1), Tätigkeiten als Stuckateur (lfd. Nr. 9), Tätigkeiten als Maler und Lackierer (lfd. Nr. 10), Tätigkeiten als Fliesen-, Platten- und Mosaikleger (lfd. Nr. 42) oder Tätigkeiten als Raumausstatter (lfd. Nr. 52) erfasst.
Rz. 79
Sind zugunsten des Gewerbetreibenden mehrere zulassungspflichtige Handwerke in der Handwerksrolle eingetragen, reicht es für die Auslösung der Versicherungspflicht nach Nr. 8 aus, wenn der Betroffene nur eine oder einen Teil der in die Handwerksrolle eingetragenen zulassungspflichtigen Handwerke ausübt und diese i. S. d. § 1 Abs. 2 Satz 2 HwO auch wesentlich sind. Es reicht dann nicht aus, wenn der Betroffene bestreitet, nur bestimmte in die Handwerksrolle eingetragene zulassungspflichtige Handwerke nicht ausgeübt zu haben, aber einräumt, andere in die Handwerksrolle eingetragene zulassungspflichtige Handwerke tatsächlich – auch im wesentlichen Umfang – ausgeübt zu haben.
Rz. 80
Sofern der Betroffene die Ausübung einer entsprechenden Handwerkertätigkeit (insgesamt) – trotz Eintragung in der Handwerksrolle – bestreitet, lässt die Deutsche Rentenversicherung nach ihren Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen grundsätzlich den gegenteiligen Vortrag des Gewerbetreibenden ausreichen (GRA der DRV zu § 2 SGB VI, Stand 7.12.2023, Anm. 11.5); es sei denn, es bestehen nach den Umständen des Einzelfalles erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Versicherten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigten, dass einfaches Bestreiten insoweit für die Rentenversicherungsträger ein erhebliches Bestreiten darstellt, weil die darzulegenden Umstände, ob eine Tätigkeit ausgeübt wurde oder nicht, allein in der Sphäre des Gewerbetreibenden liegen. Deshalb ist es sinnvoll, in der Eintragung der Handwerkstätigkeit in der Handwerksrolle eine widerlegbare Vermutung der auch tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zu sehen. Der Gewerbetreibende ist daher bereits dann verpflichtet, bei der Aufklärung der streitrelevanten Tatsachen i. S. d. § 60 SGB I mitzuwirken, wenn allgemeine Umstände dafür sprechen, dass er die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat. Denkbar ist das z. B. dann, wenn unklar bleibt, wie der Betroffene ansonsten anderweitig seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Stand der Betroffene daher – trotz Eintragung des Handwerks in der Handwerksrolle – im Bezug von Grundsicherungsleistungen zur Sicherstellung des Lebensunterhalts, dann mag das einfache Bestreiten, die Tätigkeit ausgeübt zu haben, hinreichend sein. Ansonsten ist der Betroffene gehalten, z. B. durch Abgabe von Steuerbescheiden und Gewinn- und Verlustrechnungen in den anderweitig betroffenen Zeiträume darzulegen, ob und ggf. welche Tätigkeit er ausgeübt hat.