Rz. 3
Beitragserstattungen sind gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d SGB I Rechtsanspruchsleistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Bewilligung nach dem Wortlaut des § 210 Abs. 1 und Abs. 1a Satz 1 einen Antrag voraussetzt, dessen Wirkungsvoraussetzungen sich aus §§ 9 bis 12 SGB X i. V. m. § 16 SGB I ergeben. Danach ist der Erstattungsantrag an keine besondere Form gebunden (= Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens gemäß § 9 SGB X); er kann somit von den Erstattungsberechtigten (§ 210 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 1a Satz 1 i. V. m. §§ 10 bis 12 SGB X) schriftlich, mündlich oder zur Niederschrift gestellt werden und ist wirksam, wenn er bei einer amtsempfangsberechtigten Stelle i. S. v. § 16 SGB I eingegangen ist. Das SGB VI sieht für Anträge auf Beitragserstattung nach § 210 keine von § 45 SGB I abweichende Antragsfrist vor, sodass grundsätzlich die dort geregelte Frist von 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, gilt (vgl. hierzu Komm. zu Rz. 29).
Bei der Stellung eines Antrags auf Sozialleistungen handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht von Berechtigten, die Anspruch auf die jeweilige Leistung haben. Zur Antragstellung berechtigt sind deshalb nur Personen, die einen eigenständigen Erstattungsanspruch haben, deren Bevollmächtigte (§ 13 SGB X), gesetzliche Vertreter (§§ 1626, 1629, 1791c, 1793 BGB) oder Vertreter auf Anordnung eines Vormundschaftsgerichts (§§ 1773 ff., 1896 ff. BGB). Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Demzufolge haben die Erben einer anspruchsberechtigten Person i. S. v. § 210 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und Abs. 1a Satz 1 kein eigenständiges Antragsrecht. Soweit ein Berechtigter allerdings bereits zu seinen Lebzeiten einen wirksamen Erstattungsantrag gestellt hatte und noch kein bindender Bescheid hierzu erteilt worden ist, sind seine Erben sowohl zur Fortsetzung des anhängigen Verwaltungsverfahrens als auch zur Rücknahme des Erstattungsantrags berechtigt (§§ 58, 59 Satz 2 SGB I).
Rz. 3a
Anträge auf Sozialleistungen können in Ausnahmefällen auch von Sozialleistungsträgern gestellt werden, die kraft Gesetzes nachrangig zur Leistung verpflichtet sind und deshalb nach einer Bewilligung vorrangiger Sozialleistungsansprüche gemäß § 104 SGB X erstattungsberechtigt wären.
Die Feststellung von Sozialleistungen kann grundsätzlich von folgenden Leistungsträgern i. S. d. SGB betrieben werden:
- Träger der Sozialhilfe (§ 95 SGB XII),
- Träger der Sozialen Entschädigung (§§ 111 ff SGBXIV)
- Träger der Jugendhilfe (§ 97 SGB VIII).
Die Anwendung von § 95 SGB XII, § 27i BVG, § 97 SGB VIII setzt voraus, dass ein Anspruch des Leistungsberechtigten auf eine andere – vorrangige – Sozialleistung besteht und der nachrangig verpflichtete Leistungsträger gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X erstattungsberechtigt sein könnte. Dabei liegt eine Erstattungsberechtigung in diesem Sinne nicht vor, wenn ein Leistungsträger seine Leistung auch bei Leistung des anderen Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X); im Ergebnis setzt die Erstattungsberechtigung somit die Gleichartigkeit der Leistungsansprüche voraus.
Bezogen auf die Berechtigung zur Stellung eines Erstattungsantrags i. S. v. § 210 Abs. 1 durch einen der vorgenannten Sozialleistungsträger ist deshalb zwischen 2 Fallgruppen zu unterscheiden.
Fallgruppe 1:
Der mögliche Anspruch auf Beitragserstattung ergibt sich aus § 210 Abs. 1 Nr. 2 oder 3, weil eine Regelaltersrente oder Hinterbliebenenrente allein deshalb nicht geleistet werden kann, weil die allgemeine Wartezeit weder erfüllt (§ 50 Abs. 1 Satz 1) noch vorzeitig erfüllt (§§ 53 Abs. 1 und 2, 245 Abs. 2 und 3) ist und auch nicht gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 als erfüllt gilt. Nach Rechtsauslegung der Rentenversicherungsträger kann die Gleichartigkeit der Sozialleistungen (Beitragserstattung und z. B. Sozialhilfe) in diesen Fällen zumindest mittelbar unterstellt werden, und zwar mit der Begründung, dass die Beitragserstattung nach Eintritt eines Leistungsfalls der gesetzlichen Rentenversicherung (Erreichen der Regelaltersgrenze oder Tod eines Versicherten) anstelle einer Versicherten- oder Hinterbliebenenrente zu leisten ist, die von den Berechtigten bei Erfüllung der allgemeinen Wartezeit hätte beansprucht werden können. Die Erstattungsberechtigung und damit die Berechtigung zur Stellung eines Antrags auf Beitragserstattung ergibt sich für den nachrangig verpflichteten Sozialleistungsträger in diesen Fällen aus § 104 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB X i. V. m. § 95 SGB XII, § 27i BVG, § 97 SGB VIII.
Fallgruppe 2:
Der mögliche Anspruch auf Beitragserstattung ergibt sich aus § 210 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 1a Satz 1 vor Eintritt eines Leistungsfalls der gesetzlichen Rentenversicherung. In diesen Fällen besteht i. d. R. mangels Gleichartigkeit der Leistungen (Beitragserstattung und z. B. Sozialhilfe) kein eigenständiges Antragsrecht von...