Rz. 2
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels steht die gesetzliche Rentenversicherung weiterhin vor großen Herausforderungen. Die höhere Lebenserwartung bewirkt eine durchschnittlich längere Rentenbezugsdauer. Dies führt zu einer Veränderung des Verhältnisses von aktiver Erwerbsphase zu durchschnittlicher Rentenbezugsphase. Die Rentenbezugsdauer hat sich in den letzten Jahren im Durchschnitt um deutlich mehr als 10 Jahre erhöht. Es ist davon auszugehen, dass die Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 bei 65-jährigen Männern und bei 65-jährigen Frauen weiter stark anwachsen wird. Darüber hinaus wird sich der Altenquotient langfristig deutlich verschieben. Die Betonung der Generationsgerechtigkeit zeigt sich vor allem darin, dass seit dem Wirksamwerden des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes nicht nur die steigenden Aufwendungen der heutigen Beitragszahlergeneration für ihre Altersvorsorge, sondern auch das sich verschlechternde zahlenmäßige Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern bei der Höhe der Rentenanpassungen Berücksichtigung finden. Diese Maßnahmen tragen dazu bei, dass die RV-Beiträge für die Jüngeren bezahlbar bleiben (BT-Drs. 16/3794 S. 27). Die Regelaltersgrenze wird von 2012 an beginnend mit dem Jahrgang 1947 bis zum Jahr 2009 stufenweise auf 67 Jahre angehoben. Die Stufen der Anhebung sollen zunächst einen Monat pro Jahrgang (Regelaltersgrenze von 65 auf 66 Jahre) und dann 2 Monate pro Jahrgang ab dem Geburtsjahr 1959 (Regelaltersgrenze von 66 auf 67 Jahre) betragen. In der Übergangsphase wird die Regelaltersgrenze abhängig vom Geburtsjahr durch diese Vorschrift bestimmt. Für alle nach 1963 Geborenen gilt die Regelaltersgrenze 67 Jahre (§ 35). Besonderen Vertrauensschutz haben Versicherte, die vor dem 1.1.1955 geboren sind und bereits vor dem 1.1.2007 mit ihrem Arbeitgeber Altersteilzeitarbeit verbindlich vereinbart haben. Besonderen Vertrauensschutz haben auch Versicherte, die Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben. Diese Regelung betrifft den Personenkreis, der aus strukturpolitischen Gründen aus dem Bergbau ausscheidet. Für Versicherte, die besonderen Vertrauensschutz genießen, wird die Regelaltersgrenze nicht angehoben; es verbleibt für den Anspruch auf die Regelaltersrente bei der Vollendung des 65. Lebensjahres. Die Vorschrift ist für alle Regelungen, die an die Regelaltersgrenze anknüpfen, von Bedeutung, z. B. für das Lebensalter, bis zu dem eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit längstens geleistet wird (BT-Drs. 16/3794 S. 40).
Rz. 3
Die Vorschrift ist als Übergangsvorschrift einzustufen und legt für Versicherte, die vor dem 1.1.1964 geboren wurden, fest, welche Voraussetzungen für den Anspruch einer Regelaltersrente erfüllt sein müssen. Neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit gemäß § 50 Abs. 1 muss die Regelaltersgrenze erreicht sein. Drei Varianten werden dabei von § 235 unterschieden. Für Versicherte der Geburtsjahrgänge ab 1964 gilt als grundsätzliche Regelung die Regelaltersgrenze "Vollendung des 67. Lebensjahres" (§ 35). Die Regelaltersgrenze "Vollendung des 65. Lebensjahres" gilt gemäß § 235 Abs. 2 Satz 1 für die vor dem 1.1.1947 geborenen Versicherten. § 235 Abs. 2 Satz 2 bestimmt dann für die in den Jahren 1947 bis 1963 geborenen Versicherten eine zwischen der Vollendung des 65. und 66. Lebensjahres sowie weiteren 10 Monaten stufenweise ansteigende Regelaltersgrenze. Abs. 2 Satz 3 enthält eine Vertrauensschutzbestimmung.
Rz. 3a
Nach der Intension des Gesetzgebers soll die Anhebung der Regelaltersgrenze zwingend eine Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer erreichen. Dies ist auch schon vor Hochstufung der Altersgrenze zu beobachten. Um dieser Verpflichtung Nachdruck zu verschaffen, ist die Bundesregierung gemäß § 154 Abs. 4 verpflichtet worden, den gesetzgeberischen Körperschaften alle 4 Jahre Bericht zu erstatten. Bereits die erste Berichterstattung Ende des Jahres 2010 (BT-Drs. 17/3814 S. 1) hat ergeben, dass sich die Arbeitsmarktsituation älterer Menschen deutlich verbessert hat. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die aus sachlichen und finanziellen Erwägungen gebotene schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vertretbar erscheint (vgl. auch 3. Berichterstattung der Bundesregierung zur Anhebung der Regelaltersgrenze vom 28.11.2018; der 4. Bericht wird Ende 2022 erfolgen).