Vereinbarungen zum flexiblen Renten­eintritt


Vereinbarungen zum flexiblen Renten­eintritt: Überblick

Dass die Beschäftigten mit Erreichen einer fixen Altersgrenze das Unter­nehmen verlassen, entspricht oft weder dem Wunsch der Mitarbeitenden noch den Bedürfnissen des Unter­nehmens. Abhilfe kann hier ein flexibler Renten­eintritt durch Verein­barung mit dem Arbeitgeber schaffen.

Die Babyboomer erreichen sukzessive ihr individuelles Renteneintrittsalter. Dadurch wird der bereits bestehende Fachkräftemangel zusätzlich beschleunigt. Die Rentenkassen werden weiter belastet. Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministers Habeck soll nun ein flexibler Renteneintrittszeitpunkt oder besser gleich ein "Renteneintrittsfenster" Abhilfe schaffen. Den einen fixen Termin für den Eintritt in die Regelaltersrente soll es dann nicht mehr geben, obwohl es bereits heute flexible Instrumente für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt.

Eine Verschiebung des Renteneintrittstermins kann gelingen, indem rentennahe Arbeitnehmende eben noch nicht in Rente gehen, sondern befristet bei ihrem bisherigen Arbeitgeber weiterarbeiten. Auch andere Modelle der Erwerbstätigkeit trotz der Möglichkeit zum Rentenbezug sind denkbar.

Gründe für einen flexiblen Renteneintritt

Müssen, wollen, können, sollen – es gibt verschiedene Gründe und Motivationen für die Fortsetzung des Erwerbslebens über die gesetzliche Regelaltersgrenze hinaus. Manch einer kommt mit der Rente nicht über die Runden, andere fühlen sich im Alter einfach noch zu fit, wieder andere wollen selbstbestimmt ihren Renteneintritt festlegen, und dann gibt es schließlich noch zahlreiche erfahrene Arbeitskräfte, die von ihrem aktuellen Arbeitgeber fast schon flehend darum gebeten werden, doch noch länger als vorgesehen zu arbeiten. Der Wissenstransfer von den "Alten" auf die jüngere Generation spielt dabei eine große Rolle. Jahrelang erworbenes Know-how soll nicht einfach verloren gehen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Viele freuen sich auf den Renteneintritt und denken gar nicht daran, noch länger zu arbeiten. Aber darum soll es hier gerade nicht gehen.

(Was Arbeitgeber aus rechtlicher Sicht beachten müssen, wenn sie Mitarbeitende über die Regelaltersgrenze hinaus weiterbeschäftigen wollen, lesen Sie im Beitrag: Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus).

Flexi-Rente: Länger arbeiten ist möglich

Die Motivationen sind unterschiedlich, die gesetzlichen Regelungen aber für alle Fallgruppen identisch: Die Altersgrenze für die Regelaltersrente wird bis zum Jahr 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Und zwar beginnend ab den Jahrgängen 1947 bis 2023 um jährlich einen Monat und ab dem Jahr 2024 dann beginnend mit dem Jahrgang 1959 in Zweimonatsschritten. Ab dem Jahrgang 1964 gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann eine einheitliche Regelaltersgrenze von (zumindest derzeit) 67 Jahren. Auch wenn niemand in Rente gehen muss, weil der Rentenbezug einen Rentenantrag voraussetzt, werden in den kommenden Jahren also bundesweit Millionen von älteren Menschen in den Ruhestand gehen. Das schadet dem Wirtschaftsstandort und den Rentenkassen. 

Wichtig: Die Tatsache, dass jemand das Eintrittsalter in die Regelaltersrente erreicht, führt für sich genommen noch nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeits- und Sozialrecht laufen insoweit nicht parallel. In der Praxis sehen aber fast alle Arbeitsverträge oder jedenfalls Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen entsprechende Renteneintrittsklauseln vor.

Flexibler Renteneintritt mit der Hinausschiebensvereinbarung

Flexibilisierung des Renteneintritts­­­­­­termins ist deshalb aktuell das Zauberwort. Klingt nicht schlecht, ist aber gar nicht neu: Die Möglichkeit zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses und Verschiebung des Renteneintritts gibt es seit mehreren Jahren. Bereits seit 2014 regelt § 41 Satz 3 des "Sechsten Buches Sozialgesetzbuch" (SGB VI) schließlich genau das, was man unter einem flexiblen Eintrittstermin in die Regelaltersrente verstehen kann: Durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis über den gesetzlich vorgesehenen Renteneintrittstermin für die Regelaltersrente hinaus verlängert werden.

Dafür hat sich teilweise der (zugegeben sperrige) Begriff der "Hinausschiebensvereinbarung" etabliert. Der Begriff gewinnt keinen Schönheitswettbewerb, beschreibt das Vorgehen aber zutreffend. Wird eine solche Vereinbarung abgeschlossen, endet das Arbeitsverhältnis – anders als bisher zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart – gerade nicht mit Erreichen der Grenze für die gesetzliche Regelaltersrente, sondern erst zu dem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten späteren Termin. Bis dahin kann weitergearbeitet und erst entsprechend später eine Rente in Anspruch genommen werden.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben also bereits heute ein echtes Flexibilisierungsinstrument an der Hand und können eine "Zwangsverrentung" wirksam vermeiden, wenn beide Seiten dies möchten. Seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Dezember 2018 (Az. 7 AZR 70/17) wissen die Beteiligten in diesen Fällen glücklicherweise auch, dass die Vorschrift nicht gegen Europarecht verstößt und keine Altersdiskriminierung darstellt. Warum sich diese arbeitsrechtliche Regelung aber eigentlich im SGB VI versteckt, bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers. Vielleicht ist genau das ein Teil des Problems.

"Zwangsverrentung" kann vermieden werden

Das gesetzliche Werkzeug ist vorhanden und doch führt die Regelung ein Schattendasein. Das ist bedauerlich, denn sie bietet echte Vorteile: § 41 Satz 3 SGB VI ermöglicht den so wichtigen Wissenstransfer innerhalb der Firma, bietet Flexibilität und Planungssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Rentennahe Jahrgänge müssen nicht automatisch aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, sondern können im Rahmen der Vereinbarung bis zu einem festgelegten Termin weiterarbeiten. Auch eine wiederholte Verschiebung des Beendigungstermins ist grundsätzlich zulässig und stellt für sich genommen keine Altersdiskriminierung dar.

Eine rechtsmissbräuchliche Verwendung der Vorschrift ist natürlich verboten, dürfte aber auch eher selten sein. Finanziell lohnt sich dieses Vorgehen für den Arbeitnehmer auch: Wer später in Rente geht und ohne Rentenbezug eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt, erhält für jeden Monat des späteren Rentenbeginns eine finanzielle Belohnung in Form eines Zuschlags von 0,5 Prozent auf seine Rente. Wer also ein Jahr länger arbeitet, erhöht dadurch seine Altersrente um sechs Prozent. Weitere Arbeitsjahre führen zu weiteren Steigerungen (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 b SGB VI). Außerdem erhöht sich die Rente um die zusätzlich eingezahlten Beiträge. 

Umsetzung der Hinausschiebensvereinbarung

Die arbeitsrechtliche Umsetzung einer solchen Hinausschiebensvereinbarung ist einfach, wenn man die Spielregeln beachtet: Sieht der Arbeitsvertrag oder eine Kollektivvereinbarung (Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung), wie häufig, ein Ende des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können Arbeitgeber und Arbeitnehmer diesen Termin durch eine schriftliche Vereinbarung (mehrfach) nach hinten schieben. Die Vereinbarung zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses muss dabei aber spätestens am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses getroffen werden und bedarf gemäß § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zwingend der Schriftform. Wichtig ist auch, dass es sich um eine nahtlose Fortsetzung handeln muss. Um die Vereinbarung also rechtzeitig zu schließen, muss der Arbeitgeber zunächst anhand der oben erwähnten Staffelung des Renteneintrittstermins herausfinden, wer wann in Rente gehen kann.

Ist diese Hürde genommen, stellt § 41 S. 3 SGB VI eine praktikable Sonderregelung zu den Befristungsmöglichkeiten in § 14 TzBfG dar. Sachgründe für die Befristung braucht es dann keine. Kommt die Hinausschiebensvereinbarung jedoch erst später zustande, also wenn das Arbeitsverhältnis bereits wegen Erreichen der Regelaltersgrenze beendet wurde, ist der Anwendungsbereich des § 41 S. 3 SGB VI nicht mehr eröffnet und eine Befristung kann nur noch über § 14 TzBfG mit Sachgrund oder Sonderregelungen wie § 21 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) gerechtfertigt werden. Darauf sollte man sich aus Arbeitgebersicht nicht verlassen. Geeignete Kandidaten sind frühzeitig zu identifizieren und anzusprechen. Schließlich müssen die Betroffenen für sich abwägen, ob sie länger arbeiten wollen.

Wichtige Stolperfallen bei der Hinausschiebevereinbarung

Aus HR-Sicht ist zudem darauf zu achten, dass bei einer Verlängerungsvereinbarung auch tatsächlich nur der Beendigungstermin nach hinten verlegt wird und der Vertragsinhalt im Übrigen nicht berührt wird. Sonstige Vertragsänderungen wie etwa eine Anpassung der Arbeitszeit oder eine Anpassung der Vergütung sollten isoliert in einer eigenen Vereinbarung getroffen werden. Hintergrund für diese Trennung ist die Gefahr, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung zur Verlängerungsabrede im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG überträgt. Danach dürfen zeitgleich mit der Verlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses keine anderen Inhalte des Arbeitsvertrags geändert werden. Verstöße führen zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Noch hat sich das Bundesarbeitsgericht zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung nicht geäußert, aber es wäre keine Überraschung, wenn der zuständige Senat zu einer Übertragbarkeit kommt. 

Wichtig: Natürlich kann der rentenberechtigte Arbeitnehmer ohne den Abschluss einer Hinausschiebensvereinbarung auch einfach weiterarbeiten. Das dürfte in der Praxis gar nicht so selten der Fall sein. Dann kommt es aber zur unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, was wohl nur selten im Interesse des Arbeitgebers liegen dürfte. Die Beendigung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses folgt schließlich auch bei Rentenberechtigten den üblichen arbeitsrechtlichen Regelungen, unterliegt also vor allem den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes. Der Arbeitgeber ist für etwaige Kündigungsgründe vollständig darlegungs- und beweisbelastet. Deshalb sollten Unternehmen besser mit der Hinausschiebensvereinbarung arbeiten.

Kein flexibler Renteneintritt ohne den Betriebsrat

Bei Bestehen eines Betriebsrats müssen Arbeitgeber einen weiteren Punkt beachten: Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines Arbeitsverhältnisses, das wegen Erreichen der Regelaltersgrenze eigentlich enden würde, ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts mitbestimmungspflichtig (BAG, Beschluss vom 22. September 2021, Az. 7 ABR 22/20). Das Gericht sieht in der Vereinbarung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses eine echte Neubesetzung einer Stelle, sodass eine Einstellung im Sinne des § 99 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vorliegt. Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts ist die Einstellung nicht nur die erstmalige Arbeitsaufnahme in einem Betrieb, sondern auch die Fortsetzung einer bereits ausgeübten Tätigkeit über den Renteneintrittstermin hinaus. Die Interessen der bereits im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sind in ähnlicher Weise berührt, wenn ein rentennaher Arbeitnehmer über seinen Renteneintrittstermin hinaus weiterbeschäftigt werden soll. 

Rentenberechtigte: Weiterarbeiten, aber gerne woanders 

Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass Rentenberechtigte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei ihrem bisherigen Arbeitgeber anschließend gerne bei einem anderen Unternehmen weiterarbeiten würden. Der erstmalige Abschluss eines Arbeitsvertrags folgt dann den normalen arbeitsrechtlichen Regelungen: Eine Befristung ist beispielsweise gemäß § 14 TzBfG mit oder ohne Sachgrund möglich. § 41 S. 3 SGB VI hilft hier nicht.

Genau dieser Umstand ist auch ein häufiger Kritikpunkt: § 41 S. 3 SGB VI greift nur für Mitarbeitende, die bereits im Unternehmen tätig sind. Neueinstellungen von rentenberechtigten Arbeitnehmern fallen nicht unter § 41 S. 3 SGB VI. Die Vorschrift bietet also keine Hilfe, wenn ein Unternehmen einen rentenberechtigten Arbeitnehmer erstmals befristet einstellen möchte. Auch in der Konstellation, in der anstatt beim bisherigen bei einem anderen Arbeitgeber weitergearbeitet wird, muss der Rentenberechtigte natürlich keine Rente beziehen, kann (für einen befristeten Zeitraum) weiterarbeiten und sich die oben bereits erwähnten finanziellen Vorteile der Flexi-Rente (in Form von Zuschlägen und höheren Rentenleistungen) verdienen.

Als weitere Option ist denkbar, dass Arbeitnehmer neben dem Bezug von Altersrente weiterarbeiten. Denn sobald Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreicht haben, können sie ab dem Folgemonat einen unbegrenzten Hinzuverdienst erzielen. Dieser ist aber wiederum zu versteuern. Zusätzliche Rentenpunkte werden bei diesem Modell nicht erworben. (Details zur Aufhebung der Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten lesen Sie hier.)

Praxistipp: Die Entscheidung über den individuell passenden Weg treffen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am besten gemeinsam mit einem Rentenberater. 

Arbeitnehmende frühzeitig auf Flexi-Rente hinweisen

Es gibt schon jetzt einen gesetzlichen Rahmen für einen flexiblen Renteneintritt und die damit zusammenhängende Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Häufig wird jedoch aus Unwissenheit oder Unsicherheit nicht davon Gebrauch gemacht. Personalverantwortliche sollten die Möglichkeiten und Vorteile kennen, sich bewusst mit der Regelung auseinandersetzen oder dazu beraten lassen. Es ist zu empfehlen, gezielt geeignete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzusprechen. Dann können im besten Fall beide Seiten von einem späteren Renteneintritt profitieren.


Dieser Beitrag ist in Personalmagazin Ausgabe 6/2022 erschienen. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.