Psychische Belastung als Risiko für Unternehmen

Vor zehn Jahren ereignete sich die Germanwings-Tragödie, bei der ein vollbesetzter Airbus aufgrund einer Depression des Piloten abstürzte. Der Jahrestag lenkt die Aufmerksamkeit auf die Risiken, die psychische Belastungen bei Beschäftigten mit sich bringen können. Mit einem entsprechenden Maßnahmenkatalog können Unternehmen hier vorbeugen.

Am 24. März 2015 ereignete sich ein Unglück, das ganz Deutschland erschütterte: Ein Airbus der Germanwings zerschellte in den Alpen, alle 150 Insassen kamen ums Leben. Die Tragödie, die auf die psychische Erkrankung des Co-Piloten zurückzuführen ist, stellt uns auch heute - zehn Jahr nach dem tragischen Ereignis – vor die Frage, wie Unternehmen derartige Risiken durch psychische Belastungen ihrer Mitarbeitenden vermeiden können.

Psychisch belastete Mitarbeitende als Risiko

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leiden weltweit etwa einer von vier Menschen an einer oder mehreren psychischen Störungen im Laufe ihres Lebens. Psychische Erkrankungen von Beschäftigten sind in den vergangen zehn Jahren laut Erhebungen der Techniker Krankenkasse um rund 35 Prozent angestiegen.

Insbesondere für Unternehmen der Kritischen Infrastruktur wie Energieversorger, Verkehrsbetriebe und Gesundheitswesen bergen psychische Krankheiten ihrer Beschäftigten enorme Risiken, da schon Flüchtigkeitsfehler in diesen Bereichen weitreichende Konsequenzen haben können. Ein Beispiel dafür ist die Nuklearunfall von Tschernobyl im Jahr 1986, bei dem Stress und Überforderung der Mitarbeitenden dazu beigetragen hatten, dass Sicherheitsprotokolle und interne Regeln missachtet wurden – letztlich einer der Hauptgründe für die Explosion.   

Im Fall des Germanwings-Unglücks haben die Airlines bauliche Konsequenzen gezogen, um eine Wiederholung des genauen Tathergangs, bei dem sich der Copilot alleine im Cockpit eingeschlossen hatte, zu vermeiden. Doch reaktive Sicherheitsvorkehrungen alleine genügen nicht – notwendig sind präventive Maßnahmen.

Maßnahmenkatalog zur Prävention von Gefährdungen aufgrund psychischer Belastungen  

Bei der Entwicklung einer Präventionsstrategie, mit deren Hilfe das Risiko von Zwischenfällen aufgrund psychischer Belastungen minimiert werden soll, greifen betriebliche Gesundheitsförderung, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit ineinander. Ein dementsprechender Maßnahmenkatalog muss deshalb mehrdimensional und verhaltens- und verhältnisorientiert sein.

Dazu gehören die Implementierung umfassender Programme zur psychischen Gesundheit, regelmäßige Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen sowie die Förderung einer offenen Gesprächskultur über psychische Probleme. Zudem müssen Unternehmen sicherstellen, dass ihre Beschäftigten Zugang zu psychologischer Unterstützung haben und dass Frühwarnsysteme für psychische Belastungen etabliert werden. Bei der Lufthansa selbst setzt man dafür unter anderem  auf eine "Peer to Peer"-Beratung, also die Unterstützung von Piloten durch speziell geschulte Piloten.

Im Bereich der Individualprävention müssen Unternehmen, die besonders risikoaffin sind, mehrere Angebote bereithalten. Die Stärkung der Resilienz von Mitarbeitenden, der psychischen Widerstandsfähigkeit, muss Priorität haben.  Ein klassisches EAP (Employee Assistance Program) muss zum Standard gehören. Auch Chatbots, die Menschen bei psychosozialen Themen helfen und rein KI basierte Apps um Menschen in schwierigen Lebenslagen zu helfen, können eingesetzt werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die regelmäßige Überprüfung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitslast, um sicherzustellen, dass sie nicht zu einer übermäßigen psychischen Belastung führen. Die gesetzlich lediglich als "regelmäßig" vorgeschriebene psychische Gefährdungsanalyse auf kollektiver Ebene sollte bei Unternehmen und Einrichtungen, bei denen Katastrophen passieren könnten,  jährlich durchgeführt werden.

Das Vier-Augen-Prinzip sollte standardmäßig an allen Stellen gelten, an denen menschliches Versagen zu Katastrophen führen kann. Auch die Belegschaften müssen für das Thema sensibilisiert werden. Alle Mitarbeitenden müssen befähigt werden, Auffälligkeiten bei Kollegen zu deuten und Ihnen gegebenenfalls Wege zur Hilfe aufzuzeigen. Gute Konzepte sind hier das Konzept Mental Health Pilot der DAK oder MHFA (Mental Health First Aider)  des Zentralinstituts für seelische Gesundheit.


Unterstützung beim Vorgehen gibt hier das "HILFE-Konzept":

Schritt 1: Hinsehen

Schritt 2: Initiative ergreifen

Schritt 3: Leitungsfunktion wahrnehmen

Schritt 4: Führungsverantwortung übernehmen

Schritt 5: Experten hinzuziehen

Unternehmen sollten weiter Notfallpläne entwickeln, die im Falle eines Zwischenfalls aktiv werden können, um den Schaden zu minimieren und schnell zu reagieren.

Tabus brechen - psychische Erkrankungen rechtzeitig erkennen

In der Gesellschaft sind Menschen mit psychischen Erkrankungen oft stigmatisiert, was die Belastung der Betroffenen weiter verstärkt. Eine gesunde Unternehmenskultur, in der sich psychisch belastete Mitarbeitende öffnen können, ist von entscheidender Bedeutung. Trotz aller Maßnahmen wird es nie möglich sein, eine hundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten. Man wird hier aber an ethische Grenzen stoßen, Datenschutz, Arztgeheimnis und Privatsphäre konkurrieren hier mit dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft. Dennoch besteht Handlungsbedarf, risikoaffine Unternehmen sollten branchenübergreifend eine "Task Force" bilden, um alles zu tun, um ein ähnliches Unglück wie am 25. März 2015 zu verhindern.

Durch proaktive Maßnahmen und eine Kultur der Offenheit können Unternehmen dazu beitragen, das Risiko zu minimieren und die Sicherheit sowohl ihrer Mitarbeiter als auch der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Es ist an der Zeit, aus vergangenen Fehlern zu lernen und die psychische Gesundheit als Priorität zu betrachten, um zukünftige Tragödien zu verhindern.


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