Wo früher eine Stellenanzeige in einer Online-Jobbörse genügte, um eine ausreichende Anzahl an Bewerbungen zu generieren, müssen die Unternehmen heute immer mehr Kanäle bespielen, damit sie ihre offenen Stellen besetzen können. Denn der Personalbedarf bleibt hoch. Zwar sind die Stellenanzeigen der Unternehmen Ende 2023 etwas zurückgegangen. Aber sie liegen immer noch deutlich über dem Niveau vor der Pandemie. Und die demografische Entwicklung führt dazu, dass in den nächsten Jahren immer weniger Personen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. (Lesen Sie mehr dazu im Interview "Der Arbeitsmarkt 2024 wird kompliziert - und birgt Chancen").
Das ist den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bewusst, wie der Jobwechsel-Kompass der Königsteiner Gruppe deutlich macht: Im vierten Quartal 2023 gehen fast zwei Drittel der Beschäftigten davon aus, über eine gute oder sehr gute Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt zu verfügen. Zudem ist jeder Fünfte fest davon überzeugt, in sechs Monaten noch einmal bessere Jobaussichten zu haben als zurzeit schon. Gleichzeitig nimmt die Wechselbereitschaft weiter ab: Nur noch 29 Prozent der Beschäftigten in Deutschland sind Ende 2023 an einem Jobwechsel interessiert. Nur bei den jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist der Wunsch zum Wechsel hoch. Bei ihnen liegt die potenzielle Wechselquote bei 43 Prozent.
Auf diese Kanäle fürs Recruiting setzen Unternehmen
Für die Arbeitgeber heißt das: Die Personalsuche wird noch herausfordernder. Sie müssen mehrere Recruitingkanäle parallel bespielen, um eine ausreichende Anzahl und Qualität an Bewerbungen zu erhalten. Am häufigsten werden offene Stellen auf der eigenen Webseite und in Jobbörsen ausgeschrieben. Gleich danach folgen dynamische Recruitingformen, die auf einem persönlichen Austausch basieren. Diese haben in den vergangenen Jahren deutlich an Zuspruch gewonnen: Mitarbeiterempfehlungsprogramme, Active Sourcing, Kontakte auf Recruiting- oder Fachmessen oder die Ausrichtung von Community-Events.
Diese Entwicklung wird von der Benchmark-Studie "Recruiting-Strukturen" von DGFP, HTWK und Wollmilchsau bestätigt. Die Befragung aus dem Sommer 2022 zeigt, dass Mitarbeiterempfehlungsprogramme (70 Prozent) bereits an zweiter Stelle der eingesetzten Recruiting-Methoden stehen, allerdings noch mit deutlichem Abstand zur Anzeigenschaltung in Jobbörsen (97 Prozent). Jeweils zwei Drittel der Arbeitgeber setzen darüber hinaus auf eine proaktive Ansprache potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten – sei es durch den Einsatz von Personalberatungen (Direktvermittlung, 67 Prozent) oder eigenes Active Sourcing (66 Prozent). Häufig werden zudem Maßnahmen für Social Media Performance Marketing (61 Prozent) sowie die Präsenz auf Azubi- und Absolventenmessen (58 Prozent) für das Recruiting genutzt. Talentpools (50 Prozent) und Fachmessen (40 Prozent) kommen etwas seltener zum Einsatz.
Recruiting-Herausforderungen für HR
Die Randstad-Ifo-Personalleiterbefragung im vierten Quartal 2023 macht es deutlich: Mehr als die Hälfte der Unternehmen auf Personalsuche (54 Prozent) leidet unter einem Bewerbermangel. Die Herausforderung bekommen insbesondere Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden zu spüren: 60 Prozent von ihnen gaben an, mit einem Bewerbermangel konfrontiert zu sein.
Die Fachbereiche innerhalb der Unternehmen sind unterschiedlich davon betroffen. Berufsfelder, die sich dem Feld Wirtschaft und Verwaltung zuordnen lassen, sind nach Angaben der befragten Personalverantwortlichen dem Bewerbermangel am stärksten ausgesetzt (29 Prozent). Darauf folgen Berufe im Bereich Technik und Technologie (24 Prozent), Computer und IT (zwölf Prozent) sowie Logistik und Verkehr (elf Prozent). Fünf Prozent der befragten Personalverantwortlichen gaben zudem an, dass das Problem in allen Berufsfeldern bestehe – was die Brisanz des Themas verdeutlicht.
Erfolgreicher Kanal für die aktive Kandidatensuche
Kein Wunder, dass heute nur noch wenige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu bereit sind, lange und komplizierte Bewerbungsformulare auszufüllen. Eine gute Candidate Experience ist heute ein wichtiger Faktor, um überhaupt Bewerbungen zu generieren. Und diese wird am besten dadurch ermöglicht, dass es die Arbeitgeber den potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern möglichst einfach machen, Kontakt aufzunehmen – oder noch besser: Indem sie potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten proaktiv ansprechen. Damit können sie vor allem bei Personen, die sich in einem festen Beschäftigungsverhältnis befinden, punkten. Die meisten Beschäftigten wollen heute lieber von den Unternehmen kontaktiert werden, als selbst aktiv zu werden.
Active Sourcing im persönlichen Kontakt
Der grundlegende Vorteil von Recruitingmessen ist, dass sie von Anfang an persönliche und individuelle Kontakte ermöglichen. Je persönlicher die Ansprache ist, desto Erfolg versprechender ist das Active Sourcing. Das zeigt sich unter anderem darin, dass als Standardschreiben versandte Anfragen über Businessnetzwerke wie Xing und Linkedin kaum noch beantwortet werden. Stattdessen reagieren die Mitglieder zunehmend verärgert über zu häufige Kontaktversuche durch Unternehmen. Etwas anders ist die Lage auf Recruitingevents. Wer auf diesen Veranstaltungen vor Ort ist, hat Interesse an einer beruflichen Veränderung und kann im persönlichen Gespräch von den Qualitäten des Unternehmens als Arbeitgeber überzeugt werden.