Das Potenzial automatisierter Recruitingprozesse


Recruitingprozesse automatisieren

Wo hakt es im Recruiting? Was können Arbeitgeber besser machen? Praxisrelevante Antworten auf diese Fragen geben drei aktuelle Untersuchungen, die sich die Recruitingprozesse in den Unternehmen genau angeschaut haben.

Es hat sich in all den Jahren nicht geändert: Stellensuchende verschicken eine Bewerbung und warten wochenlang, manchmal auch vergeblich auf eine Antwort des Unternehmens. Das wird meist mit mangelndem Interesse der Arbeitgeber gleichgesetzt, doch häufig sind ineffiziente Recruitingprozesse, eine mangelhafte Kommunikation innerhalb der Unternehmen und schlicht Personalmangel die Ursachen. Das wird sich im Jahr 2024 nicht grundlegend verbessern, denn die Budgets und die Ressourcen im Recruiting sind knapp.

Der Recruitingprozess setzt sich aus verschiedenen Phasen zusammen, die die Personalabteilungen vor unterschiedlich große Herausforderungen stellen. Für fast ein Viertel der Reruiterinnen und Recruiter stellt die Suche nach Kandidatinnen und Kandidaten die größte Schwierigkeit dar. Genauso hoch ist der Anteil der Recruiting-Fachleute, die die Bewertung von Bewerbenden für besonders herausfordernd halten (jeweils 24 Prozent). Als größte Hürden für eine Einstellung sehen 30 Prozent den Fachkräftemangel an. 26 Prozent nennen zeitaufwendige Prozesse und 24 Prozent manuelle Verwaltungsaufgaben als grundlegende Hindernisse. Das fand das Marktforschungs- und Analyseunternehmen Harris Poll heraus, das im Auftrag von Indeed 525 Arbeitgeber und 200 Jobsuchende interviewte.

Recruitingprozess: Das Potenzial von Automatisierung

Die Umfrage macht deutlich: Automatisierung bietet viel Potenzial für besseres Recruiting. Den größten positiven Einfluss von automatisierten Prozessen sehen 41 Prozent der Befragten in einer optimierten Effizienz. 39 Prozent versprechen sich durch automatisierte Abläufe mehr Personalisierung im Kandidatenkontakt und 38 Prozent erwarten eine verbesserte Candidate Experience.

Allerdings sind diese theoretischen Vorteile in der Praxis offenbar noch nicht angekommen: Nur rund zwei Drittel der befragten HR-Fachleute (68 Prozent) setzen bereits auf automatisierte Prozesse im Recruiting-Prozess. 77 Prozent sagen, sie seien bereit, verstärkt auf solche Technologien zu setzen oder überhaupt mit der Automatisierung im Recruiting zu starten. Den größten Nutzen versprechen sie sich bei der Bewerberauswahl: 23 Prozent äußerten den Wunsch nach verbesserten Abläufen bei der Bewertung und Ablehnung von Bewerberinnen und Bewerbern. 21 Prozent erhoffen sich durch Automatisierung eine effektivere Durchführung von Legal Compliance Checks. Bei anderen Recruiting-Aufgaben sind die Befragten der Ansicht, dass sie besser weiterhin durch Menschen durchgeführt werden sollten: die Entscheidung, ob jemand eingestellt wird oder nicht (42 Prozent), die Durchführung von Jobinterviews (39 Prozent) und die persönliche Kommunikation (34 Prozent).

Auch Jobsuchende würden sich über den verstärkten Einsatz von Automatisierung freuen. Es sind besonders zwei Aspekte, die sie am Bewerbungsprozess stören: der Zeitaufwand (54 Prozent) und die Intransparenz (37 Prozent). Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich 83 Prozent der befragten Jobsuchenden für mehr Automatisierung aussprechen.

Effektivere Ansprache und Beschleunigung des Auswahlprozesses

Aus anderer Perspektive nähert sich der HR-Monitor 2024 von McKinsey & Company der Recruiting-Thematik. Für diese Studie wurden HR-Professionals aus über 500 Unternehmen in Deutschland befragt. Sie macht deutlich: 87 Prozent der offenen Stellen konnten im vergangenen Jahr besetzt werden, die Hälfte davon durch Recruiting, der Rest durch interne Wechsel oder mithilfe externer Dienstleister. Das heißt auch: Bei 13 Prozent der Stellen blieb die Personalsuche erfolglos.

Ein Grund liegt darin, dass offenbar immer weniger Jobangebote angenommen werden: Weniger als zwei Drittel der Angebote (65 Prozent) führen zu einer Einstellung. In den vergangenen Jahren lag die Annahmequote noch bei über 70 Prozent. Die Zahl der Bewerbungen indes war 2023 relativ hoch: Pro ausgeschriebene Stelle erhielten die Unternehmen durchschnittlich 45 Bewerbungen für nicht-technische Positionen und 30 Bewerbungen für technische Stellen. Die Studienautoren folgern daraus: "Die weiterhin vergleichsweise hohe Anzahl an Bewerbungen pro Stelle, gepaart mit einer relativ geringen Angebotsannahmequote, unterstreicht die grundsätzlich hohe Wechselbereitschaft insbesondere junger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Auswahlmöglichkeiten zwischen einer Vielzahl von Angeboten."

Weitere Zahlen aus der Studie: Offene Stellen werden im Durchschnitt innerhalb von 55 Tagen – vom Beginn der Suche bis zur Annahme eines Angebots – besetzt. Die durchschnittlichen Recruitingausgaben über alle Kanäle hinweg belaufen sich auf rund 5.500 Euro pro Stelle, wobei es zwischen den Unternehmen starke Abweichungen gibt. Das sind 800 Euro mehr als vor sieben Jahren, stellt bereinigt um die Inflationsrate jedoch keine signifikante Veränderung dar. Zu den Handlungsempfehlungen, die die Studienautoren formulieren, gehört die Vergrößerung und effektivere Ansprache des Bewerberpools. Mithilfe von datenbasierten, analytischen Modellen sollen Unternehmen die entscheidenden Fähigkeiten für eine Position identifizieren und Personen gezielt ansprechen. Dafür hätten sich unter anderem KI-Lösungen zur Identifikation geeigneter Kandidatenpools bewährt.

Auch die Beschleunigung des Auswahlprozesses zählt zu den Handlungsempfehlungen. Hier spielen Digitalisierung und KI ebenfalls eine Rolle, etwa bei automatisierter und zugleich individueller Kommunikation mit den Bewerbenden oder bei der KI-gestützten Erstellung von Stellenausschreibungen. Letzten Endes sind aber nicht nur Beschleunigung und Automatisierung hilfreich, sondern auch der persönliche Dialog: "Um die Annahmequote zu maximieren, bleiben erfolgreiche Unternehmen auch nach Aussprache des Angebots in engem Kontakt mit den Kandidatinnen und Kandidaten, insbesondere mit denen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Angebote erhalten werden", so die Studienautoren.

Jobbörsen bleiben die erfolgreichsten Kanäle

Studie Nummer drei, "Recruiting-Strukturen – ein Benchmark 2023" von DGFP, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig und Wollmilchsau, an der 553 Personen aus dem HR-Bereich teilnahmen, stellt klar: Zu den erfolgreichsten Recruiting-Kanälen zählen weiterhin die Jobportale (84 Prozent), gefolgt von Mitarbeiterempfehlungsprogrammen (59 Prozent), Active Sourcing (39 Prozent). Stark zurückgegangen ist die Direktvermittlung durch Personalberater oder -dienstleister (19 Prozent, 2022: 35 Prozent), leicht zurückgegangen die Beteiligung an Azubi- oder Absolventenmessen (elf Prozent, 2022: 14 Prozent). Aber auch datengestützte Methoden wie Social Media Performance Marketing (17 Prozent), Programmatic Job Advertising (elf Prozent), Talentpools (acht Prozent) oder Performance Marketing in Websuchmaschinen (neun Prozent) haben leicht verloren.

Zwar hat sich die Arbeitsbelastung im Recruiting-Bereich etwas gemildert: Heute betreut ein Recruiter oder eine Recruiterin 19 Positionen gleichzeitig. Im Jahr 2022 waren es noch 27 Stellen. Aufs Jahr gerechnet kamen 2023 durchschnittlich 44 Stellenbesetzungen pro Recruiterin/Recruiter zusammen. 2022 waren es 62 Positionen jährlich. Aber das ist immer noch viel, zumal es sich häufig um ganz unterschiedliche Jobformate und Zielgruppen handeln dürfte. Der Zeitaufwand für die unterschiedlichen Aktivitäten im Recruitingprozess ist hoch und könnte durch den Einsatz von KI sicherlich reduziert werden: Die meisten Befragten geben einen Zeitrahmen von 30 Minuten für die Aufbereitung von Stellenanzeigen und das Festlegen des Jobtitels an. 20 Prozent planen für die Sichtung des Bewerbungseingangs 60 Minuten ein. 13 Prozent benötigen sogar zwei Stunden für diesen Vorgang.


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