Rz. 13
Eine kleine Witwenrente/Witwerrente an vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegatten nach Abs. 1 der Vorschrift hat Unterhaltszuschussfunktion. Bei Vorliegen der Voraussetzungen der Abs. 2 oder 3 besteht Anspruch auf große Witwenrente/Witwerrente mit Unterhaltsersatzfunktion. Die Hinterbliebenenrente an den geschiedenen Ehegatten soll also grundsätzlich den durch den Tod eines Versicherten entstandenen tatsächlichen oder fiktiven Unterhaltsverlust ausgleichen.
Abs. 1 Nr. 3 setzt deshalb für einen Rentenanspruch voraus, dass der verstorbene Versicherte seinem geschiedenen Ehegatten
- im letzten Jahr vor seinem Tod tatsächlich Unterhalt geleistet hat
oder
- im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor seinem Tod Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes (1946) oder aus sonstigen Gründen (z. B. aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung) zu leisten hatte. Zum Begriff des Unterhalts sind die Vorschriften des BGB (§§ 1360a ff. BGB) analog anzuwenden. Danach gehört zum Unterhalt alles, was erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts sowie der persönlichen Bedürfnisse des geschiedenen Ehegatten abzudecken.
2.1.3.1 Tatsächliche Unterhaltszahlung im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten
Rz. 14
Nach Abs. 1 Nr. 3 ist für einen Anspruch auf Witwenrente/Witwerrente an vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegatten eine tatsächliche Unterhaltszahlung erforderlich. Zum "Unterhalt" im Sinne der Vorschrift zählen allerdings nur solche Leistungen des verstorbenen Versicherten, die dieser seinem geschiedenen Ehegatten nach der Scheidung unabhängig von einer Gegenleistung erbracht hat (BSG, Urteil v. 21.6.1963, 12/4 RJ 170/60, BSGE 19 S. 185). In Fällen, in denen die geschiedenen Ehegatten z. B. nach der Scheidung wieder zusammen gelebt haben und die geschiedene Ehefrau vom Versicherten Geldleistungen erhalten hat, die mit Rücksicht auf ihre Arbeitsleistung in Gestalt der Haushaltsführung gezahlt worden sind, handelt es sich grundsätzlich nicht um Unterhaltszahlungen im Sinne der Vorschrift, sondern um Arbeitsentgelt. Bei dem geschilderten Sachverhalt kann nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden, dass ein Versicherter für den Lebensbedarf seiner geschiedenen Ehefrau auch ohne Gegenleistung aufgekommen wäre. Ein solcher Ausnahmefall würde voraussetzen, dass der Wert der Barzuwendungen des Versicherten den Wert des Unterhaltsbeitrags des geschiedenen Ehegatten – einschließlich des Wertes der Haushaltsführung – übersteigt (BSG, Urteil v. 28.11.1963, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 16; Urteil v. 30.11.1965, 4 RJ 457/63, BSG V, § 1265 RVO Nr. 37).
Rz. 15
Darüber hinaus müssten die Geldleistungen des Versicherten an seinen geschiedenen Ehegatten der Deckung des laufenden Lebensbedarfs gedient haben. Zahlungen zur Tilgung früherer Unterhaltsschulden sowie zum Aufbau einer Alterssicherung für den geschiedenen Ehegatten oder die Überlassung von Vermögensgegenständen sind nach ständiger Rechtsprechung nicht als Unterhaltsleistungen im Sinne der Vorschrift anzusehen (BSG, Urteil v. 9.2.1978, 11 RA 14/77, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 29; Urteil v. 24.11.1978, 11 RA 2/ 78, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 36; Urteil v. 3.10.1979, 1 RA 53/78, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 45).
Rz. 16
Im Übrigen sind die Gründe des Versicherten, die zur tatsächlichen Unterhaltszahlung geführt haben (z. B. freiwillige Zahlung, Unterhaltszahlung aufgrund einer Verpflichtung nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder wegen einer Unterhaltsvereinbarung), für den Rentenanspruch nicht von Bedeutung.
Soweit von einer Unterhaltszahlung im Sinne der Vorschrift ausgegangen werden kann, muss diese im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten tatsächlich erbracht worden sein. Nach dem Grundgedanken des Gesetzgebers kann nur bei einer ein ganzes Jahr andauernden Unterhaltszahlung von einer regelmäßigen Unterhaltsleistung ausgegangen werden, die ihrerseits die Erwartung rechtfertigt, dass der Versicherte ohne seinen Tod den Unterhalt auch weiterhin geleistet hätte und dass sich der geschiedene Ehegatte auf einen dauerhaften Empfang von Unterhalt seitens des Versicherten einstellen durfte (BSG, Urteil v. 17.2.1970, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 55). Das letzte Jahr vor dem Tod eines Versicherten endet mit seinem Todestag und ist – anders als der letzte wirtschaftliche Dauerzustand für die Prüfung eines Unterhaltsanspruchs nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen – unverrückbar festgelegt (BSG, Urteil v. 21.1.1987, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 83).
Rz. 17
Der tatsächlich im letzten Jahr vor dem Tod eines Versicherten geleistete Unterhalt muss grundsätzlich monatlich gezahlt worden sein (BSG, Urteil v. 21.1.1987, SozR 2200 § 1265 RVO Nr. 83). Nur in Ausnahmefällen kann auch eine Unterhaltszahlung, die als Vorauszahlung für das gesamte Jahr oder für mehrere Monate geleistet worden ist, als regelmäßige Unterhaltszahlung im letzten Jahr vor dem Tod eines Versicherten anerkannt werden, wenn aufgrund der Zahlungsweise die Annahme gerechtfertigt ist, dass in der tatsächlichen Unterhaltszahlung ein Dauerzustand bestanden hat.
Zahlungen, die ein geschiedener Ehegatte von einem ...