Anspruch auf Witwerrente trotz kurzer Ehedauer

Trotz der Tatsache, dass seine Ehefrau zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits schwer an Krebs erkrankt war und nur drei Monate später verstarb, hat der verwitwete Ehemann Anspruch auf eine Witwerrente aus ihrer Versicherung. Das hat das Sozialgericht Berlin entschieden. Die Vermutung, dass die Heirat lediglich aus Versorgungsabsicht erfolgte, konnte widerlegt werden. 

Mit seiner Klage begehrte der Kläger von der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund die Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner Ehefrau.

Nothochzeit im Krankenhaus

Bei der Versicherten war erstmals 2014 Brustkrebs diagnostiziert und behandelt worden. Im September 2019 reservierten der Kläger und die seit 7 Jahren mit ihm zusammenlebende Versicherte Veranstaltungsräume, um im Juli des Folgejahres mit einer großen Feier zugleich ihre beiden 50. Geburtstage zu feiern und zu heiraten. Im November 2019 meldeten sie den Termin der Eheschließung auch beim Standesamt an. Im Dezember 2019 wurden bei einer ärztlichen Untersuchung der Versicherten dann ein Wiederauftreten der Erkrankung festgestellt, im März 2020 empfahl man eine Chemotherapie, Anfang April 2020 kam die Versicherte schließlich zur Behandlung ins Krankenhaus. Noch im selben Monat wurde die Ehe im Krankenhaus geschlossen. Rund drei Monate später, im Juli 2020 starb die Versicherte schließlich.

Gesetzliche Regelung: DRV lehnt Antrag auf Witwerrente ab

Der Beklagte lehnte den im November 2020 gestellten Antrag auf Witwerrente ab. Bei einer Ehe, die weniger als ein Jahr gedauert habe, gehe das Gesetz davon aus, dass der überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch eine Hinterbliebenenrente gewesen sei. Bereits im Zeitpunkt der Heirat sei absehbar gewesen, dass die vorhandene Krankheit bald zum Tod führen würde. Hiergegen erhob der Witwer 2021 Klage.

Sozialgericht verurteilt DRV zur Rentenzahlung

Das Sozialgericht Berlin (in der Besetzung mit einer Berufsrichterin und zwei ehrenamtlichen Richterinnen) hat der Klage nach mündlicher Verhandlung und Zeugenbefragung stattgegeben und die Beklagte zur Rentenzahlung verurteilt. Zwar hätten Witwen oder Witwer nach der gesetzlichen Vermutung des § 46 SGB VI keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat. Etwas anderes gelte jedoch, wenn nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

Versorgungsabsicht stand nicht im Vordergrund

Nach Würdigung aller Umstände sei die Kammer hier davon überzeugt, dass die Versorgung des Klägers nicht der überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei. Der konkrete Entschluss zur Eheschließung sei bereits deutlich vor der endgültigen Krebs-Diagnose im März 2020 gefallen, wie die entsprechenden Hochzeitsvorbereitungen (Raummiete, Termin beim Standesamt) zeigten. Wäre dieser Entschluss bereits von der Sorge um einen tödlichen Verlauf der Versicherten getragen gewesen, hätte ein kurzfristiger Termin für die Trauung nahegelegen, statt diese erst ein dreiviertel Jahr später anzusetzen. Glaubhaft habe der Kläger zudem geschildert, dass Hauptgrund für die vorgezogene Trauung die Einschränkungen der Corona-Pandemie gewesen seien. Die Partner hätten durch ihre Heirat das strikte Besuchsverbot im Krankenhaus überwinden wollen.

Hinweis: Sozialgericht Berlin, Urteil v. 18.3.2024, S 4 R 618/21

Sozialgericht Berlin