Rz. 11
Mit Wirkung zum 1.1.2021 wurde durch Art. 1 Nr. 3, Art. 8 Abs. 1 GruRG v. 12.8.2020 (BGBl. I S. 1879) bei Berechnung von Renten für Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen ein weiterer Zuschlag an Entgeltpunkten eingeführt, dessen Voraussetzungen und Höhe sich aus § 76g ergeben. Nach § 76g Abs. 1 Satz 1 wird dieser Zuschlag an Entgeltpunkten nur ermittelt, wenn ein Versicherter mindestens 33 Jahre mit sog. Grundrentenzeiten nachweist. Welche Zeiten im Einzelnen zu diesen Grundrentenzeiten zählen, ergibt sich aus § 76g Abs. 2 Satz 1 und 3, der sich im Wesentlichen an den §§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 bis 3, 55 Abs. 2 orientiert, die bei Prüfung der Wartezeit für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§§ 38, 236b) einschlägig sind.
Im Ergebnis zählen die folgenden rentenrechtlichen Zeiten zu den Grundrentenzeiten i. S. v. § 76g Abs. 2 Satz 1 und 3:
- Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1),
- Pflichtbeitragszeiten aus sonstigen Gründen i. S. v. § 3 Satz 1 Nr. 1, 1a, 2, 2a und 4 aufgrund von Kindererziehungszeiten, nicht erwerbsmäßiger Pflege pflegebedürftiger Personen, Ableistung eines gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes oder eines Wehrdienstverhältnisses besonderer Art gemäß § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes oder des Bezuges von Vorruhestandsgeld (§ 55 Abs. 2 Nr. 2),
- Zeiten der Antragspflichtversicherung i. S. v. § 4 Abs. 1 und 2 für Entwicklungshelfer, bei begrenzter Auslandsbeschäftigung, für sekundierte Personen nach dem Sekundierungsgesetz und für antragspflichtversicherte Selbständige (§ 55 Abs. 2 Nr. 2),
- Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57) oder wegen einer nicht erwerbsmäßigen Pflege von pflegebedürftigen Personen in der Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.3.1995 gemäß § 249b (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 2),
- Zeiten mit Beiträgen für Anrechnungszeiten (§ 1385b Abs. 1 RVO, § 112b Abs. 1 AVG, § 130b Abs. 1 RKG), die ein Leistungsträger mitgetragen hat (§§ 55 Abs. 2 Nr. 3, 247 Abs. 1 Satz 2),
- Zeiten mit freiwilligen Beiträgen, die als Pflichtbeiträge gelten (z. B. bei Nachzahlung von Beiträgen für Zeiten einer unverschuldeten Strafverfolgungsmaßnahme gemäß § 205 Abs. 1 Satz 3 (§ 55 Abs. 2 Nr. 1),
- Ersatzzeiten gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 (§ 76g Abs. 2 Satz 2) und
- rentenrechtliche Zeiten (hier = Pflichtbeitragszeiten und beitragsfreie Anrechnungszeiten) wegen des Bezuges von Leistungen bei Krankheit oder während der Inanspruchnahme von Leistungen zur Prävention, medizinischer Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Nachsorge (§ 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Buchst. b).
Die Berücksichtigung von rentenrechtlichen Zeiten (Pflichtbeitragszeiten oder beitragsfreie Anrechnungszeiten) wegen des Bezuges von Leistungen bei Krankheit als Grundrentenzeiten, setzt den tatsächlichen Bezug von Leistungen (z. B. Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Übergangsgeld) voraus. Der Nachweis eines Leistungsbezugs könnte allerdings für die Vergangenheit problematisch sein, weil in den Versicherungskonten der Rentenversicherungsträger – insbesondere in der Zeit bis zum 30.9.1974, aber auch für die ersten 12 Kalendermonate einer Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 1.10.1974 bis zum 31.12.1983 (vgl. hierzu auch Komm. zu § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Rz. 11) – nur das Tatbestandsmerkmal der Arbeitsunfähigkeit, nicht aber ein möglicher Leistungsbezug gespeichert worden ist. Soweit Versicherte für Zeiten bis zum 31.12.1984 den tatsächlichen Leistungsbezug bei Krankheit nicht durch geeignete Beweismittel i. S. v. § 21 SGB X nachweisen können, lässt die Übergangsregelung des Abs. 5 Satz 1 für die Anerkennung dieser Zeiten als Grundrentenzeiten i. S. v. § 76g Abs. 2 Satz 1 die Glaubhaftmachung zu.
Ergänzend hierzu bestimmt Abs. 5 Satz 2, dass Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend gilt. Danach können als Mittel der Glaubhaftmachung auch Versicherungen an Eides statt (§ 23 Abs. 1 SGB X) zugelassen werden; für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung sind in diesen Fällen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 126) zuständig. Eine nach Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 3 grundsätzlich zulässige eidesstattliche Versicherung dürfte in der Verwaltungspraxis allerdings nur in begründeten Ausnahmefällen eingeholt werden, da i. d. R. auch der jeweilige Versicherungsverlauf darüber Aufschluss geben kann, ob bei Arbeitsunfähigkeit, medizinischer Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben Anspruch auf Sozialleistungen bestanden hat (sog. Plausibilitätsprüfung). Versicherungen an Eides statt als schwächstes Mittel der Glaubhaftmachung sollten von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung nur abgenommen werden, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass Leistungen bei Krankheit tatsächlich bezogen worden sein könnten und keine anderen Beweismittel (z. B. Bescheinigungen der zuständigen Krankenkasse) vorliegen oder nachträglich beschafft werden können. Darüber hinaus ist die Anerkennung als Grundrentenzeit i. S...